Vorschlag-Hammer:Welt aus Blech

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Seiltänzer, Musikanten, Tänzer, Artisten, Rikscha- und Rollerfahrer tummeln sich in einer Ausstellung im kleinen Museum Aschenbrenner in Garmisch-Partenkirchen, in der es um mechanisches Blechspielzeug geht. Ideal für einen Familienausflug

Kolumne von Sabine Reithmaier

Es schdimmd scho: bloud is diggä wäi wassä / obbä manchmall/ hammä uns / einfach dick." Für Fitzgerald Kusz, aus dessen Band "Nämberch-Blues" das Gedicht "Familienbande" stammt, wäre die Anfahrt ein wenig weit. Aber für alle anderen, die während der Feiertage ähnliche Empfindungen heimsuchen und trotzdem nicht auskönnen, empfiehlt sich ein Familienausflug nach Garmisch-Partenkirchen.

In der Sonderausstellung im kleinen Museum Aschenbrenner geht es um mechanisches Blechspielzeug aus der Zeit zwischen 1870 und 1950. Und zwischen "Melonenmännern", "Knödelfressern", "ängstlichen Bräuten" und rasanten "Autoschwestern" endet jede Krisenstimmung. Natürlich tummeln sich auch Seiltänzer, Musikanten, Tänzer, Artisten, Rikscha- und Rollerfahrer in den Räumen, erinnern daran, dass vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis hin zum Ersten Weltkrieg die Produktion der Figuren aus dünn gewalztem Weißblech eine echte Blütezeit erlebte. Firmen wie Bing, Günthermann oder Lehmann profitierten davon. 1913 wurden 80 Prozent des hierzulande produzierten Spielzeugs exportiert, das entsprach vier Fünfteln des gesamten Weltexports an Spielwaren.

Das technische Know-how der Spielzeugmacher war groß, unübersehbar ihre Freude am Detail und ihr Erfindergeist. Die Palette reicht vom Purzelbaum schlagenden Clown über Leitern hinaufkletternde Feuerwehrmänner bis hin zu Ballonfahrern, die durch die Lüfte schweben. Natürlich spiegelt sich auch die Zeitgeschichte wieder in den Figuren, egal ob es sich um den Hauptmann von Köpenick, Charlie Chaplin oder Chinesen aus der Zeit des Boxeraufstands handelt. Erst der zunehmende Einsatz von Kunststoff verdrängte die bunte Welt aus Blech aus den Kinderzimmern, aber vergnüglich anzusehen ist sie noch immer (Mit Funkenrad und Federwerk, bis 2. April, Museum Aschenbrenner, Loisachstraße 44, Garmisch-Partenkirchen).

Nicht nur den Franken, auch den Niederbayern ist der Weg nach Garmisch-Partenkirchen vielleicht zu weit. Letztere könnten aber nach Regen fahren und dort die beeindruckende Marionettensammlung des Viechtacher Sammlerehepaars Anita und Hartmut Naefe besichtigen. Auch hier geht es zurück in Zeiten, als Fernsehen noch unbekannt war. Ihre erste Marionette erwarben Naefes eher zufällig auf einem Flohmarkt; sie ließen sich aber schnell vom Sammlervirus infizieren, retteten Marionetten, Kulissen, Bühnenvorhänge und Requisiten vor dem Untergang. Inzwischen besitzen sie an die 1000 wertvolle Figuren, überwiegend aus Böhmen, jede einzelne von Hand gefertigt, mit angenehm kantigen, niemals glatten Gesichtern. In beinahe jeder Inszenierung spielte der Kasperl eine wichtige Rolle; er durfte aufmüpfig sein und die Obrigkeit kritisieren. Geradeso wie die Kabarettisten heutzutage (Großes Theater auf kleiner Bühne, bis 25.2., Mo. bis Fr., 8 - 17 Uhr, Sa., So., Feiertage 10 - 17 Uhr, 24.12. geschlossen, Landwirtschaftsmuseum Regen).

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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