Vorschlag-Hammer:Weiß, schwarz, bunt

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Wie ist es um die kulturelle Vielfalt in München bestellt? Diese Frage bekommt man im isolationistischen Kulturmekka New York gestellt. Sogar im klassischen Tanz geht es bei uns ziemlich farbenfroh zu - schwarz, gelb und regenbogenbunt

Von Eva-Elisabeth Fischer

Da ist man erst einmal baff, wenn einem eine durchaus weltläufige amerikanische Freundin Postkarten mit schwarzafrikanischen Motiven schenkt und sagt: Da werden die bei Dir daheim aber staunen, wenn Du die herzeigst. Dass der Anblick Dunkelhäutiger frühestens seit der Stationierung afroamerikanischer GIs nach dem Zweiten Weltkrieg und spätestens seit den jüngsten Flüchtlingswellen aus Afrika hierzulande zum Straßenbild gehören, hat sich auch in gebildeten New Yorker Kreisen nicht unbedingt herumgesprochen. Und schon gar nicht, dass eines der wichtigsten Museen der Stadt, das Haus der Kunst, von einem Nigerianer namens Okwui Enwezor, vormals New York, geleitet wird, der doch glatt auch schon Fotokunst von einer schwarzen Frau ausgestellt hat.

Und man kriegt den Mund nicht mehr zu, sich im isolationistischen Kulturmekka New York mit der Frage konfrontiert zu sehen, wie es denn um die kulturelle Vielfalt in München bestellt sei. Dass man in Manhattan an einem Abend die Qual der Wahl zwischen sieben verlockenden Tanzaufführungen hat, da kann München nicht mithalten. Aber sonst schon.

Sogar im klassischen Tanz geht es bei uns ziemlich farbenfroh zu - schwarz, gelb und regenbogenbunt. Neu ist, dass dieses längst selbstverständliche Phänomen nun auch die Solistenriege erreicht hat. In der vergangenen Spielzeit feierte im Bayerischen Staatsballett der dunkelhäutige Kubaner Osiel Gouneo in den bislang weitgehend weißen Tänzern vorbehaltenen Prinzenrollen Triumphe und wurde in der Zeitschrift Tanz prompt zum Tänzer des Jahres gekürt. Auch der Petruchio in der Wiederaufnahme von "Der Widerspenstigen Zähmung" ist Kubaner: Neuzugang Jonah Acosta, ein Spring- und Drehwunder wie Gouneo und Bruder des bislang noch weitaus berühmteren Starballerinos Carlos Acosta.

Die Amis halten sich, Trumps rassistischen Ausfällen zum Trotz, an Vorgaben, ethnische Minderheiten und Frauen in der nach wie vor weiß und männlich dominierten Kultur gleichberechtigt zu berücksichtigen. Über die Tatsache hinaus, dass die Forderung des Präsidenten, Fördergelder zu streichen, bereits drei Mal abgeschmettert wurde, bewahrt man sich zumindest im Norden eine Parallel-, ja eine Gegenwelt. Im neuen Whitney-Museum am Hudson streut man sich nachgerade offensiv Asche aufs Haupt, widmet Künstlerinnen - ganz vorn dran die sowieso omnipräsente Louise Bourgeois - gleich mehrere Räume, präsentiert latein- und afroamerikanische Kunst ebenso prominent wie die Sündenfälle Amerikas mit dem Vietnamkrieg oder der fatalen Aids-Politik der Achtziger- und Neunzigerjahre, der vor allem Schwarze und Schwule zum Opfer fielen. 500 Meilen weiter, in Portland, Maine, mit 67 000 Einwohnern sozusagen Provinz, probt ganz selbstverständlich in einer unitarischen Kirche ein hochprofessioneller Schwulenchor Weihnachts- und Chanukkalieder.

Als T.C. Boyles "América" 1995 erschien, die atemberaubende Schilderung, wie es illegalen lateinamerikanischen Einwanderern in einer xenophoben Gesellschaft ergeht, da albträumte noch niemand von einer Trump'schen Mauer. Stefan Puchers Inszenierung der dramatisierten Fassung des Romans hat am Samstag, 14. Oktober, um 20 Uhr in den Kammerspielen Premiere. Intendant Matthias Lilienthal glaubt ja seit jeher daran, dass die dicksten Mauern einstürzen, je bunter man es treibt.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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