Vorschlag-Hammer:Was geht, was folgt

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Der große Wandel bei Münchens Staatsballett

Von Eva-Elisabeth Fischer

Dieses Jahr ist Tanzjahr. Seit dem 19. Februar, seit Bundespräsident Gauck bei bester Laune in Schloss Bellevue etwa 120 handverlesene Gäste aus dem Tanzland Deutschland zu einer kunterbunten Soiree willkommen hieß, ist das offiziell. Der Tanz ringt hierzulande noch immer um Emanzipation. Die Kunst, welche die Völker am stärksten verbindet, die keine Sprache braucht, um verstanden zu werden, ist im sprach- und musiklastigen, aber offenbar latent körperfeindlichen Deutschland immer noch am schlechtesten angesehen unter den Bühnenkünsten. Man glaubt es nicht, weil das deutsche Tanztheater seit den Achtzigern der Exportschlager der Nation ist. Und weil sich Tanz allüberall im eigenen Land bestens verkauft. Man weiß nun nicht recht, was davon zu halten ist, dass Nikolaus Bachler seine Spielzeitpläne bei einer Matinee im Nationaltheater vorstellt - demonstrativ selbdritt mit seinem Generalmusikdirektor Kiril Petrenko und seinem Wunschballettdirektor Igor Zelensky. Zar Nikolaus, der Ivan Liška, den Noch-Ballettdirektor, bekanntlich nicht besonders schätzt, ward in den nahezu acht Jahren seiner Intendanz nicht ein einziges mal bei einer Vorstellung des Bayerischen Staatsballetts gesehen.

Wird Zelensky Bachler bald gleichgestellt und in der Nachfolge von Konstanze Vernon und Ivan Liška als erster zum Ballettintendanten ernannt? Oder bleibt er, trotz der dank Vernon hart erkämpften künstlerischen Autonomie des Balletts mit eigenen Etat, der Büttel des ihm gewogenen Opernintendanten? Igor Zelensky jedenfalls scheint einer zu sein, der weiß, wo der Hammer hängt. Die riesigen Ballettkompanien in Russland, also auch in Nowosibirsk, wo Zelensky bis dato das Ballett leitet (und weiterhin leiten wird?), werden traditionell autoritär geführt. (Unter dem Zaren waren die Tänzer noch Leibeigene.) Am Sonntag, den 13. März, elf Uhr, wird bei der öffentlichen Präsentation der Spielzeit 2016/17 im Nationaltheater unter dem Titel "Was folgt" ein bisschen was, aber längst nicht alles zu erfahren sein (Eintritt frei, online buchbar).

Ein Juwel dessen, was geht, was dann endgültig weg ist, kann man am Abend davor, also am 12. März, 19.30 Uhr, noch einmal genießen, Léonide Massines grandioses Werk "Choreartium" aus dem Jahr 1933 in einer Rekonstruktion des Sohnes Lorca Massine in der phantastisch einfachen und deshalb umso effektvolleren Ausstattung des Holländers Keso Dekker. Wie der Titel schon sagt, steht bei diesem Stück das Corps im Mittelpunkt, die bewegte Masse als Transformation großer musikalischer Besetzung in Brahms' Vierter Symphonie. Ausdruck ist hier alles, aber nicht schwülstig, nicht pathetisch, sondern immer gefühlt. Die Tänzer und Tänzerinnen lassen die Seele der Musik zu Körpern werden, heftig bewegt in immer neuen raumfüllenden Formationen. Ein allerletztes Mal wird es "Choreartium" bei den Ballettfestwochen am 8. April gegeben. Eröffnet aber wird Ivan Liškas festlicher Schlussreigen nach 18 Jahren als Ballettchef mit einer Sensation, der Einstudierung eines Stückes von Pina Bausch, den "Kindern von gestern, heute und morgen". Dazu gibt es am 18. März um 20 Uhr ein "Ballett Extra" im Probenhaus des Staatsballetts am Platzl. Da werden bereits Ausschnitte dessen gezeigt, was in einem ganzen Jahr von Tänzern des Tanztheaters Wuppertal mit dem Staatsballett erarbeitet wurde. Das größte Wagnis zum Schluss - zu gewinnen ist da leider nichts mehr.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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