Vorschlag-Hammer:Vorlieben

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Als Kritiker ist man emotional, vielleicht auch klug, man weiß vielleicht etwas, aber man verliebt sich auch für die Dauer einer Aufführung in einen Darsteller, einen Klang, ein Bild

Von Egbert Tholl

Vor vielen Jahren absolvierte ich, im damals ersten Jahrgang überhaupt, an der Theaterakademie den Aufbaustudiengang Kulturkritik, den der einstige SZ-Theaterchef C. Bernd Sucher ins Lebens gerufen hatte. Von diesem lernte ich einige interessante Details über leicht eskapistische Wege des Savoir vivre, lernte Mut beim Schreiben zu haben und den Umstand, dass man sich als Kritiker selbst entblößt. Im Benennen von dem, was einem gefällt oder missfällt, liegt mehr als ein distanziertes Urteil, wie es etwa ein Jurist aufgrund vorgegebener Gesetze fällen kann. Nein, als Kritiker ist man emotional, vielleicht auch klug, man weiß vielleicht etwas, aber man verliebt sich auch für die Dauer einer Aufführung in einen Darsteller, einen Klang, ein Bild. Übrigens geht mir gerade wegen dieses Hantierens mit Emotionalität total auf den Wecker, über dieser Kolumne für jeden Leser identifizierbar mein Porträt zu sehen.

Das nur nebenbei, hilft ja eh nichts. Mehr könnte mich die Frage beschäftigen, was sich der Leser wohl denkt, wenn er nun liest, was ich ihm für Samstagabend empfehle, also für den Abend des 30. April. An diesem Tag ist die Abschlussproduktion des Festivals "Radikal jung" im Münchner Volkstheater zu sehen. Es ist dies Schönheitsabend des Duos Florentina Holzinger und Vincent Riebeek. Von den beiden sah ich bislang zwei Arbeiten, die mich in der absoluten Bedingungslosigkeit der Performer im Umgang mit den eigenen Körpern, in ihrem Kitsch, ihrem Pathos und ihrer überlegenen, musikalisch-rhythmischen Struktur maßlos faszinierten. Ich weiß nicht, wie krass "Schönheitsabend" wird. Ich weiß aber, dass, wer die anderen beiden Aufführungen sah und entsetzt war angesichts meiner Begeisterung für diese, mir eine ganze Fülle von Sexualneurosen zuschreiben könnte. Umgekehrt könnte man als Kritiker für den größten Langweiler aller Zeiten gehalten werden, wenn man sich etwa für Orgelkonzerte in Münchner Kirchen begeisterte, die sicherlich auch sehr schön sein können.

Da man aber so oder so zu seinen Idiosynkrasien stehen muss, hier noch ein Spargelrezept. Man lege Kirschtomaten in eine ofenfeste Form, füge ein wenig Olivenöl hinzu, schiebe die Form in den Ofen, warte, bis die Tomatenhaut Risse kriegt und nehme das Förmchen heraus. Dann brate man längs halbierten, in Stücke geschnittenen Spargel in Olivenöl etwa 15 Minuten in der Pfanne, füge dann die Tomaten, grob gehackte Rauchmandel und frische Petersilie hinzu. Passt zu Saltimbocca, Noilly-Prat-Schäumchen, Pinotage und Performance-Diskurs.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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