Vorschlag-Hammer:Unvergänglichkeiten

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Es ist so eine Sache mit der Vergänglichkeit: Zwei Veranstaltungen erinnern an die bewegenden literarischen Werke von Gert Hofmann und Friedrich Reck-Malleczewen

Von Antje Weber

Wer schreibt, der bleibt. Oder? Der Schriftsteller Gert Hofmann machte sich da keine Illusionen: "Was für eine Zeit! In der ich gelebt haben muss - und wie! -, doch ist nicht viel geblieben", sinniert sein Alter Ego im Roman "Der Kinoerzähler".

Es ist so eine Sache mit der Vergänglichkeit, oder besser den "Unvergänglichkeiten", wie Hofmanns Tochter über seine Werke lästerte. Was bleibt von einem zu Lebzeiten so renommierten Schriftsteller wie ihm selbst? Der fast 50 Hörspiele verfasste, 1979 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt, 1993 den Münchner Literaturpreis für sein Gesamtwerk? Heute, mehr als 20 Jahre nach seinem Tod, ist es um sein Werk sehr still geworden, was jüngst Jens Jessen in der Zeit beklagte: Vielleicht sei Gert Hofmann "auch darum so vergessen, weil sich niemand daran erinnern will, dass man das Zugängliche sehr wohl mit avanciertem Spiel verbinden kann". Am Donnerstag, 7. Mai (19 Uhr, Buchhandlung Lentner, Marienplatz 8), ermuntert jedenfalls ein Abend mit unter anderem seiner Witwe zur Wiederentdeckung des ironiebegabten Fabulierkünstlers. Denn auch wenn Hofmann wusste, "früher oder später scheitert alles, und du wirst ausgewechselt", ist es dann doch bei weitem nicht so schlimm gekommen, wie er befürchtete: "Für jedes Buch, das ich nicht schreibe, wird man mir mal dankbar sein!"

Diesen Satz hätte so oder ähnlich wohl auch sein Kollege Friedrich Reck-Malleczewen maliziös formulieren können. Der in den Dreißigerjahren höchst erfolgreiche Unterhaltungsschriftsteller - sein Roman "Bomben auf Monte Carlo" wurde mit Hans Albers und Heinz Rühmann verfilmt - hat insbesondere ein sehr brisantes Buch hinterlassen, dessen auch nach außen hin offen vertretener, meinungsstarker Inhalt ihn letztlich das Leben kostete: Nach einer Denunziation wurde der Arzt, Journalist und Autor verhaftet und starb im Januar 1945 im KZ Dachau. Sein hellsichtiges "Tagebuch eines Verzweifelten", das er zwischen 1936 und 1944 schrieb und das in Poing unter Äckern vergraben den Krieg überdauerte, gehört zu "den erschütterndsten Dokumenten der NS-Zeit"; so urteilt mit einigem Recht der Literaturwissenschaftler Peter Czoik im Nachwort zu einer Neuausgabe (Edition Monacensia/Allitera, Präsentation am Dienstag, 12. Mai, 19 Uhr, Juristische Bibliothek, Rathaus, Marienplatz 8). Reck-Malleczewen hält mit seinen Ansichten in diesen Aufzeichnungen nicht hinter dem Berg: Als er Adolf Hitler persönlich begegnet, sieht er den "unsauberen Geist eines Mißratenen im Zimmer". Die Nationalsozialisten insgesamt beschreibt er als "Herde böser Affen", besonders fällt ihm ihr "Mangel einer Seele" auf, ihr "Mangel an Humor", sie sind für ihn "die Hasser des Menschenlachens"; sein eigenes Lachen und Leben haben die Nazis auf dem Gewissen.

Wer schreibt, der bleibt? Man kann verzweifeln oder zynisch werden angesichts solcher Schicksale. Man kann den naheliegenden Schluss ziehen, dass Erinnern umso notwendiger ist, an Menschen, an Werke. Um von ihnen unter anderem zu lernen, wie wichtig es ist, trotz allem den Humor nicht zu verlieren und erst recht nicht die Seele: "Unvergänglichkeiten", hoffentlich.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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