Vorschlag-Hammer:Symbiotische Beziehungen

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Muss man sich hier von einem Stück München verabschieden oder doch nur von einer Band? "Blumentopf" hören auf und geben ihre letzten Konzerte

Von Jakob Biazza

Es steht ja eine popkulturell gar nicht so uninteressante Frage an. Sinngemäß: Verabschiedet sich da jetzt ein Stück München? Oder doch einfach nur eine Band? Und sie wird nun dadurch noch ein bisschen besonderer, die Frage, dass sie sich, vor allem Menschen stellen könnten, die zwischen 20 und 40 sind - und Rap mögen. Blumentopf hören schließlich auf. Am 22. Oktober spielen sie das letzte, letzte Konzert im Zenith, das so schnell ausverkauft war, dass für den 9. Oktober noch eine vorletzte letzte Zusatzshow gebucht wurde.

Dieses Ende ist zunächst mal ohne jede Diskussion musikalisch traurig. Die Hip-Hop-Formation war, ganz ohne Lokalpatriotismus, eine der besten des Landes. Eine, da darf man vielleicht kurz auf einen älteren Text zurückgreifen, Insel der Gelassenheit in einem sehr auf Kraftmeierei ausgelegten Genre - und das aber wiederum, ohne es selbst an Anspruch und Hunger und Großmannssucht missen zu lassen. Weil das aber vielleicht nicht ganz zufällig wie eine Beschreibung klingt, die das Tourismusbüro (oder Helmut Dietl) seiner Stadt anlegen würde, waren da immer diese Stimmen, und nicht nur in den Medien, die sagten, dass Blumentopf und München quasi symbiotisch seien. Dass das eine das andere aufs Wunderbarste beeinflusse. Dass Band und Stadt also - um es mit Valentin zu sagen - zusammengehörten wie a Supp'n ohne Salz (obwohl sie ja wiederum streng genommen eigentlich eher aus Freising kam).

Die Musiker selbst hielten diese Überlegungen allerdings für einen ausgemachten Schmarrn. Die Frage müsste also vielleicht noch genauer lauten: Wie viel beeinflussen sich Künstler und Stadt denn nun? Vielleicht sogar, ohne dass sie es merken. Und darf sich eine Stadt denn Künstler derart aneignen? Und sie damit irgendwie auf ihre Herkunft reduzieren. Und schlimmer noch, für einen unterm Strich ja doch meistens strunzdummen Städtevergleich missbrauchen: "Wir haben Blumentopf - wen habt ihr?" Ich will das hier nicht entscheiden. Mein Gefühl schwankt da täglich und gerade wieder ganz gewaltig, weil ich, während ich dies hier tippe "Sweetlove" höre. Die neue Single von Bilderbuch (30. März, Zenith, aber man sollte sich Tickets wohl eher bald besorgen). Eine ganz herrliche Unverschämtheit von einem Song. Bisschen Jazz-Harmonien, bisschen angeschmalzte Anbetungslyrik, die - wie eigentlich immer bei der Band - nichts aussagt, aber im Gefühl dann doch wieder alles drin hat. Dazu dann aber diese fast eklig hingehackten Gitarren-Gniedeleien, die in ihrer ganz famosen Nervigkeit alles negieren, was da sonst passiert. Und wenn das jetzt nicht den leicht verlotterten Größenwahn hat, den Wien (Heimatstadt der Band) ausmacht, dann weiß ich auch nicht mehr. Wer übrigens weder Hip-Hop mag noch größenwahnsinnige Wiener Indie-Bands, der ist von der Diskussion trotzdem nicht ausgeschlossen: Am 22. Oktober ist Der große Helmut Dietl Abend im BR. Da gibt's vielleicht Antworten. Oder zumindest mehr Fragen.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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