Vorschlag-Hammer:Requiem für Millionen

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Im Jüdischen Zentrum München ist "Nacht und Nebel" zu sehen, Alain Resnais erschütternder Film über den Holocaust

Kolumne von Egbert Tholl

Als die Alliierten die Vernichtungslager der Nationalsozialisten befreiten, schickten sie auch Kameraleute los, das Unfassbare zu dokumentieren. Gleichzeitig befürchteten sie, das Grauen sei viel zu monströs, als dass ihnen die Aufnahmen jemand glauben würde. Billy Wilder meinte dazu, so erzählt Volker Schlöndorff: "Die Leute werden später behaupten, das hätten wir in Hollywood mit Special Effects nachgestellt." Regisseure wie Alfred Hitchcock oder eben Wilder wurden von der US-Armee beauftragt, die Filmaufnahmen aus den Vernichtungslagern so zu schneiden, dass man sie international als Dokument und den Deutschen als Versuch einer "Re-Education" vorführen könne. Diese Vorgänge beschreibt Schlöndorff im Begleitbüchlein der DVD von "Nacht und Nebel".

Diesen Film drehte Alain Resnais 1955/56, die Musik dazu schrieb Hanns Eisler, den Kommentar Jean Cayrol, die deutsche Nachdichtung schuf Paul Celan. Resnais sichtete dafür das dokumentarische Material, und reiste an die Stätten der ehemaligen Lager. Wie um sich selbst dem Holocaust zu nähern, lässt er die Kamera an einem Lagerzaun entlangfahren. "Das Blut ist geronnen, die Münder sind verstummt, es ist nur eine Kamera, die jetzt diese Blocks besichtigen kommt." Dann weicht die Farbe aus den Bildern, und man sieht, was die alliierten Kameraleute am Kriegsende sahen. Menschen, abgemagert zu wandelnden Skeletten, Berge von Leichen, nicht mehr als Haut und Knochen, die von Bulldozern zusammengeschoben werden. Berge von Frauenhaaren und die daraus gefertigten Stoffe. Seife. Pergament. Produkte industrieller Weiterverarbeitung ermordeter Menschen. Und man sieht auch Aufnahmen der Nazis, als die Lager noch in Betrieb waren. Feiste SS-Männer, die Kapelle der Lagerinsassen, der Lagerarzt, die Krankenschwester. Und stets die vollkommene Pervertierung von allem Menschlichen.

Als Resnais' erschütterndes Kunstwerk 1956 bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt werden sollte, legte die deutsche Bundesregierung Protest ein. Das Auswahlkomitee gab dem nach, in Frankreich und auch in der Bundesrepublik gab es einen Aufschrei. Schließlich wurde Nacht und Nebel doch gezeigt, wie nun am Dienstag, 11. Dezember, um 19 Uhr im dischen Zentrum München. Es spielt das Jewish Chamber Orchestra unter Daniel Grossmann.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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