Vorschlag-Hammer:Quanta costa?

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Mir ist natürlich bewusst, dass das Münchner Leitungswasser - was sich mit dem generellen Anspruch der Stadt vom Klo- bis zum Konzerthaus deckt - eines der besten der Welt ist. Trotzdem trinke ich Mineralwasser einer bestimmten Marke

Kolumne von Oliver Hochkeppel

Ich trinke Mineralwasser. Präziser: das Heilwasser einer bestimmten Marke. Es würde zu lange dauern, zu erklären, warum, denn mir ist natürlich bewusst, dass das Münchner Leitungswasser - was sich mit dem generellen Anspruch der Stadt vom Klo- bis zum Konzerthaus deckt - eines der besten der Welt ist. Nennen Sie es einen Spleen, es ist für mich eine Frage des Geschmacks. Weil auch die Familie gerne mittrinkt, kaufe ich immer zwei Kästen. Und ich bin offensichtlich nicht der einzige mit dieser Vorliebe. Neulich waren in meinem riesigen Getränkemarkt nur noch zwei Kästen übrig, und in einem fehlte eine Flasche. Dies erwähnte ich dann an der Kasse, natürlich in der Erwartung, eine Flasche weniger zu bezahlen. Schon der aufgerufene Preis kam mir komisch vor, ausnahmsweise ließ ich mir die Quittung geben und überprüfte sie. Drei Euro hatte ich mehr bezahlt als sonst.

Ich ging also zurück zum Verkäufer, der mir daraufhin erklärte, dass er wegen der fehlenden Flasche den Einzelpreis berechnet habe - und der sei eben teurer als beim Kasten. Ich hatte also für weniger mehr bezahlen müssen und wäre noch günstiger gefahren, wenn ich die fehlende Flasche einfach ignoriert hätte. Entrüstet sagte ich diesem Verbrecher an der Kasse, darauf hätte er mich doch hinweisen müssen. "Nein, muss ich nicht", lautete die verblüffende Antwort. Kasten- und Einzelpreise seien ausgewiesen. Was mich schlagartig an Gerhard Polts großartige "Leasingvertrag"-Nummer erinnerte, in der er mit größter Emphase einem Richter vorträgt, ein immer rechtschaffener Mensch könne doch nicht so in die Falle gelockt werden, und der nüchtern entgegnet: "Doch, das geht."

Behumst, übervorteilt und über den Tisch gezogen zu werden, das ist eben ein Basis-Mechanismus des "freien Markts". Was auch damit zusammenhängt, dass er alles in Geldwert umrechnet, sogar Wünsche, Hoffnungen und Emotionen. Nehmen wir das Absurde also mal ernst und schauen, wo wir demnächst auf der Bühne mehr bekommen als wir bezahlen müssen. Für schlappe 20 Euro schon kriegt man mit der aus dem Saarland stammenden, in Zürich lebenden Saxofonistin Nicole Johänntgen (Unterfahrt, 8. Dezember) eine der fetzigsten Vertreterinnen ihres Fachs überhaupt serviert. Beim neuen Album "Henry" rattert es wie im tiefsten New Orleans im "Second-Line"-Groove dahin, befeuert vom Quartett mit Schlagzeug, Posaune und (viel Instrument fürs Geld) Tuba. Gar nur 15 Euro muss man für Nils Wograms neues Bandprojekt Vertigo berappen (Seidlvilla, 12. Dezember), und bekommt dafür ein fulminantes Posaunenquartett im Geiste J.J. Johnsons. Hinter dem kryptischen Bandnamen A Novel of Anomalie schließlich (Unterfahrt, 9. Dezember) verbirgt sich nicht nur der Berner Vokalartist Andreas Schaerer, der aktuell vielleicht spannendste aller Sänger, oder sein Duo mit dem begnadeten Schlagzeuger Lucas Niggli, es kommt bei diesem neuen Quartett auch noch der Gitarrist Kalle Kalima und - "kommt auch noch in die Tüte, und wenn ich kaputt geh" - Luciano Biondini dazu, der vielleicht jazzigste aller Akkordeonisten. Das kostet gerade mal 25 Euro. Da darf am Tresen schon mal aus Wasser Wein werden.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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