Vorschlag-Hammer:Mehr Volumen

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Sind die Methoden der Mobilfunkanbieter auf den Kulturbetrieb übertragbar? Unser Autor denkt über doppelte Geschwindigkeit bei Konzerten nach

Von Jakob Biazza

Vor ein paar Tagen hat mein Mobilfunkanbieter anrufen lassen. Eine sehr freundliche Dame, sanft norddeutscher Akzent, offenes Wesen, wahrscheinlich starke Raucherin. Sagte meinen Namen sehr oft. Und dazu sagte sie, ihre Systeme hätten gemeldet, dass ich mein Datenvolumen quasi jeden Monat überziehen und deshalb am Monatsende "regelmäßig" nur noch mit gedrosselter Geschwindigkeit surfen würde. Diese Information kam mit einer Mischung aus Mitleid und Vorwurf, was beeindruckt. Kaum eine Kombination ist schwieriger. Das alles - hier bekam die Stimme etwas beinahe Konspiratives, ohne an Wärme einzubüßen - sei aber kein Problem. Für einen treuen Kunden wie mich hätte man da ja Angebote. Achtung jetzt: doppeltes Volumen! Ich hätte doch so ein schickes Smartphone. Schade sei es um das. Man gebe doch schließlich so viel Geld für unnütze Dinge aus. Und mehr Datenvolumen, das sei doch mal etwas wirklich Sinnvolles. Ob sie das denn gleich einbuchen solle? Weil: 16 Cent am Tag mehr, das sei "ja nix".

Tatsächlich sind 16 Cent am Tag eine Erhöhung um mehr als zehn Prozent und seither frage ich mich, ob diese Drückerkolonnen-Methoden nicht auch etwas wären, das dem Kulturbetrieb helfen könnte. Man muss das nur mal unvoreingenommen durchspielen: Francesco Tristano (4. Juli, Rote Sonne) zum Beispiel. Der Pianist könnte doch nach einer knappen Konzertstunde innehalten. Er hätte dann vielleicht schon etwas Bach gespielt, oder Cage. Denen gibt er viel modernen Habitus. Wobei er bei seinen Club-Shows eher agiert wie ein DJ und den Elektro-Beats Improvisationen auf allerlei flirrenden Keyboards beisteuert. Jedenfalls könnte er dann sagen: "Damit ich jetzt nicht langsamer spielen muss, hätte ich für Sie, als treue Fans, da ein Angebot ...!"

Oder Martin Grubinger (6./7. Juli, Philharmonie): eine Stunde Trommelwahnsinn, diesmal mit der "Brazilian Salsa Night". Rhythmische Hyperexaktheit, körperliche Höchstleistung - und dann erst mal ein paar Heizdecken und Steakmesser unter die Leute bringen. Weil: "Man gibt doch so viel Geld für unnütze Dinge aus - Klaviermusik zum Beispiel. Und Steakmesser sind doch mal etwas wirklich Sinnvolles." Ob Snoop Dog (17. Juli, Zenith) auch für solche Schmutzbuckeleien geeignet ist? Fraglich. Für 16 Cent am Tag rührt man als erfolgreicher Rapper eher keinen Finger. Ist eine Imagefrage. Andererseits: Der Kalifornier testet ja seit seinem Debüt "Doggystyle" vor mehr als 20 Jahren sehr konsequent aus, wie weit er die Rolle des bekifft-lässigen Rap-Säuslers treiben kann. Und sein aktuelles Album "Bush", auf dem er viel singt, aber nicht sehr gut, zeigt: vielleicht nicht mehr viel weiter. Da wäre das doch eine Karriere-Alternative. Ich jedenfalls würde dem das Datenvolumen sofort abnehmen.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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