Vorschlag-Hammer:Lasse die Dornen, pflücke die Rosen

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Wer sich fragt, weshalb der Saisonauftakt bei den Schäftlarner Konzerten Ende Mai stattfindet, der muss sich in den Monaten vorher nur mal für eine Stunde oder länger in die eiskalte Kirche setzen. Dann weiß er's schon

Kolumne von Egbert Tholl

Lange Zeit, genauer 18 Jahre lang, konnte man in Bayern eines der fabelhaftesten Ensembles für die hohe Kunst des A-capella-Gesangs erleben. Das Ensemble Stimmwerck veredelte die Renaissance-Musik und feierte sie von 2005 an bei den Stimmwerck-Tagen in der Nähe von Regensburg. Das ging so lang sehr gut, bis die vier Sänger älter wurden und ihre Lebenswege schließlich in unterschiedliche Richtungen liefen. Aber auf jeden Fall einer der vier singt immer noch, und zwar ganz wunderbar, der Countertenor Franz Vitzthum. Den kann man nun in der Klosterkirche von Schäftlarn erleben. Dort singt er am Samstag, 25. Mai, um 19 Uhr allerdings keine Renaissance-Musik, sondern Arien von Händel, was einen zu der schönen Formulierung drängt, er gibt mit dem Orchester der Schäftlarner Konzerte ein Konzert in Schäftlarn. Der Konzertmeister ist übrigens derselbe wie beim Staatsorchester, also der Staatsoper, Markus Wolf. Die Arien stammen größtenteils aus eher weniger bekannten, englischsprachigen Oratorien Händels, mithin können Freunde barocker Musik hier wirklich noch Entdeckungen machen. Außerdem singt Vitzthum mit seiner schwerelos schönen Stimme "Lascia la spina" (Übersetzung siehe Überschrift) aus dem Oratorium "Il trionfo del tiempo e del disinganno" - da braucht man nichts mehr, um wunschlos glücklich zu sein. Nachher gibt es Bier und Leberkäs, weil das Konzert der Saisonauftakt der Schäftlarner Konzerte ist. Wer sich jetzt fragt, weshalb ein Saisonauftakt Ende Mai stattfindet, der muss sich in den Monaten davor nur mal für eine Stunde oder länger in die eiskalte Kirche setzen, dann weiß er's schon.

Ansonsten seien dem geneigten Leser noch zwei Sachen ans Herz gelegt: Utopias of Europe, die zweite Produktion, die im renovierten Pathos Theater herauskommt. Philip Klose entwirft eine interdisziplinäre Show mit Songs, Pamphleten, lebenden Statistiken und tanzenden Bienen. Kann man Donnerstag, Freitag, Samstag, also 23. bis 25., im Pathos sehen. Und schließlich beginnt am 27. Mai die Adevantgarde, das flotte Festival für zeitgenössische Musik in München: eine Woche, vier Spielorte, neun Veranstaltungen, 50 Komponistinnen und Komponisten, 25 Uraufführungen. Vor 15 Jahren wurde das Festival als undogmatische Alternative zur Münchner Biennale gegründet, angetrieben von dem Gedanken, dass Neue Musik auch Spaß machen kann. Das ist gelungen und aufregend ist es ohnehin - unkompliziert, spannend.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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