Vorschlag-Hammer:Gürteltiere und Ankermieter

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Weil wir architektonischer Funktion und ästhetischer Anmutung nicht entkommen, erfreut sich die Lange Nacht der Architektur, die am Freitag, 18. Januar, zum fünften Mal stattfindet, großer Beliebtheit. Zudem gibt es oft Einblicke in Gebäude, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind

Kolumne von Evelyn Vogel

Wenn es ums Bauen geht, haben alle eine Meinung. Wir alle wohnen und arbeiten in mehr oder weniger architektonisch wertvollen Gebäuden, bei denen das funktionale wie ästhetische Gefälle mitunter erschreckend hoch ist. Weil wir aber architektonischer Funktion und ästhetischer Anmutung gar nicht entkommen, erfreut sich die Lange Nacht der Architektur, die an diesem Freitag zum fünften Mal stattfindet, so großer Beliebtheit. Zudem gibt es oft Einblicke in Gebäude, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind. 35 000 Besucher zählte man beim letzten Mal. Ich war eine von ihnen und erinnere mich noch gut an die langen Warteschlangen vor einigen Gebäuden. Abhilfe soll in diesem Jahr eine Whatsapp-Gruppe schaffen, der man sich unter +4915792384770 anschließen kann. Dort gibt es Infos, Wartezeiten und Verkehrslage.

Auf meiner Tourliste stehen auf jeden Fall einige Neulinge. Mal sehen, wie schnell ich beim Oskar reinkomme. Das von Richard Meier 1998 geplante Gebäude am Oskar-von-Miller-Ring wurde zum "kreativen Hub" umgemodelt. Neben Amazon Web Services und dem Coworking-Space-Anbieter Wework residiert dort auch der Condé Nast Verlag. Ich denke, dort gibt es ein paar gute Einblicke in zeitgemäße Arbeitswelten. Das gleiche verspreche ich mir vom Skygarden am Arnulfpark. Der sogenannte Ankermieter ist das Netzwerk PwC. Dessen Mitarbeiter geben Infos zum Gebäude, dem architektonischen Konzept und der Arbeitswelt. Da nicht nur Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer, sondern auch Architekten und Ingenieure dort arbeiten, dürfte auch diese Arbeitswelt vielfältig sein.

Einen Einblick in Bereiche, die einem als Besucher sonst verschlossen sind, bietet beispielsweise das Gärtnerplatztheater. Von einem unserer SZ-Kultursalons weiß ich, dass sich die Besichtigung des dortigen Orchesterprobensaals auf jeden Fall lohnt. Der sitzt wie ein Gürteltier auf dem Dach des Gebäudes und ist mindestens so ein optischer Hingucker wie die mit einer Holzrasterschale verkleidete Fassade des Showpalasts in Fröttmaning, in dem ansonsten Pferde im Mittelpunkt stehen. Ebenfalls fassadenauffällig ist das neue Werk 12 im Werksviertel, das einen Abstecher lohnt. Und wo ich schon mal dort bin, werde ich auch bei der Whitebox vorbeigehen, wo an dem Abend beim Flurfest wieder mal Atelier-Paten gesucht werden. Einen Abstecher will ich auch in die Architekturgalerie machen, wo sich Japans ältestes Architekturbüro Nikken Sekkei präsentiert. Die Mitarbeiter planen in Tokio unter anderem das höchste Holzhaus der Welt, das 350 Meter hoch werden soll. Wenn ich das dann wirklich alles geschafft habe, habe ich gewiss eine gewaltige architektonische Fallhöhe überwunden.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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