Vorschlag-Hammer:Gerne eine Zauberei

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Meine grundsätzliche Begeisterung über Spielart ist ungebrochen. Aber eines fehlt ein wenig bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals: Produktionen mit hohem Schauwert

Von Egbert Tholl

Vielleicht ist es eine seltsame Idee, zur Erholung von allen möglichen disparaten und in Teilen auch immer wieder anstrengenden Formen des Theaters in ein ganz normales Konzert zu gehen. Aber es hilft. Nein, nicht falsch verstehen: Meine grundsätzliche Begeisterung über Spielart ist ungebrochen. Aber eines fehlt ein wenig bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals: Produktionen mit hohem Schauwert. Bislang erfüllten den die leicht psychotischen Gäste aus dem Kongo und Jan Lauwers. Ich kann mich an Ausgaben des Festivals erinnern, da taumelte man von einer phantastischen Seherfahrung zur anderen, alles war neu, aufregend, glitzerte und funkelte. In diesem Jahr muss man meist ganz genau hinsehen und hinhören, um die kleinen, feinen Dinge zu erfassen. Vieles ist sehr klug, keine Frage, manches auch sehr schön, vor allem fällt auf, wie persönlich viele Produktionen sind. Die eigene Biografie, entweder die des Künstlers oder eine recherchierte, steht im Vordergrund, das Leben selbst wird zum Theater. Aber manchmal hätte man doch gerne eine Zauberei.

Die erfährt man dann in einem fast wie zu einer Séance abgedunkelten Prinzregententheater. Rudolf Buchbinder spielt Klavier, wieder einmal einen Zyklus mit allen Beethoven-Sonaten. Nun ist Buchbinder ja kein Pianist, der das Zaubern in den Vordergrund rückte. Seine Virtuosität ist nur Mittel, um das auszudrücken, was er im Notentext vorfindet. Und das ist ja bei ihm erstaunlich, auch wenn man ihn schon oft erlebt hat. Vor einer Woche spielte er am Sonntag in der Früh die Sonaten Nummer 6, 24, 16 und 29. Der Klavierliebhaber weiß: drei teils frühe, auf jeden Fall skizzenhafte Werke, und die "Hammerklaviersonate". So sehr Buchbinder mit letzterer begeisterte, stets wach auf seinen Duktus achtete, immer wieder schnell umschaltete, zwischen Furor und Zartheit, im vierten Satz für Momente zu einer überirdischen Ruhe fand - mit welcher insistierenden Klugheit er die "kleinen" Werke des ersten Teils aufdröselte, erfahrbar machte, das war schon großartig. Und zwischen Fröhlichkeit, farbig flatternden Schmetterlingen und Schmunzeln zauberte Buchbinder eine große Verschwörung: Zwischen ihm, dem Publikum und Beethoven. Ende des Monats geht die weiter. Da gibt es dann unter anderem "Pathetique" und "Waldstein".

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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