Vorschlag-Hammer:Fernsehfrei und Spaß dabei

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Wenn das TV-Gerät streikt, ist das die Gelegenheit, die spärlichen Abendstunden zu Hause anderweitig zu nutzen

Von Egbert Tholl

Seit einem Monat habe ich kein Fernsehen mehr. Also, das Gerät ist schon noch da, aber es zeigt nur noch schwarz-weißes Schneetreiben, das aber digital. Das mit dem Digitalen ist auch der Grund, weshalb es schneit, denn eine Firma, von deren Existenz ich bislang nichts wusste, hat irgendwas von analog auf digital umgestellt, und da kommt mein alter Fernseher nicht mehr hinterher. Jetzt frage ich mich nur, weshalb ich GEZ-Gebühren zahle und nichts davon habe, weil Pÿur, so heißt diese Firma, die offenbar bei mir im Kabel wohnt, eigenwillige Vorstellungen davon hat, was man zum Fernsehen benötigt. Ja dürfen die das denn? Auf jeden Fall führten alle Versuche, elektronisch oder in wiederholten Telefonaten einen zufriedenstellenden Kontakt zu den Pÿur-Komikern aufzunehmen, zu bislang nichts außer einer Anregung des Kreislaufs.

Aber das hat den großen Vorteil, dass ich nun die spärlichen Abendstunden zu Hause anderweitig nutze. Ich gucke nicht "Babylon Berlin", ich lese die Romane von Volker Kutscher. Das dauert zwar länger und schaut auch nicht so gut aus, macht aber viel Freude. Allerdings führt es nicht unbedingt dazu, dass ich früher ins Bett komm'. Besser dafür geeignet wäre gerade das Jubiläum der Bayerischen Theaterakademie August Everding gewesen, an der ich vor 20 Jahren studiert hatte, die gerade ihren 25. Geburtstag feierte und ihre 400 Gäste, darunter sehr viele ehemalige Studenten, bereits gegen zwei in der Früh nach Hause schickte. Das, so heulten sich die alten Ehemaligen gegenseitig an, hätte es zu unserer Zeit bei einem solchen Jubiläum nicht gegeben, da hätte man nach der Feier gleich frühstücken gehen können. Aber nun müssen alle Bachelor- und Masterstudenten halt brav funktionieren und schön schlafen gehen, damit sie am nächsten Tag wieder ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen können. Die Ehemaligen gingen ins Johanniscafé.

Dass die Akademie zu Zeiten, als dort Verhaltensweisen einer profunden Anarchie herrschten, sehr leistungsfähig war, beweist eine Premiere in Stuttgart am kommenden Sonntag. Am Staatsschauspiel dort beginnt die Intendanz von Burkhard C. Kosminski, am Eröffnungswochenende inszeniert Elmar Goerden - ja genau, Goerden, der bei Dieter Dorn am Resi war und dann Intendant in Bochum - die Uraufführung von Die Abweichungen von Clemens J. Setz, der einst den tollen Roman "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" schrieb. Bei Goerden nun spielen, neben anderen: Josephine Köhler, Katharina Hauter, Sven Prietz. Alle drei haben, zu unterschiedlichen Zeiten, an der Theaterakademie studiert. Aus ihnen sind tolle Schauspieler geworden, voller Können, Denken und Eigenart.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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