Vorschlag-Hammer:Brot und Spiele

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Liliom geht es ähnlich wie hilflosen Reitern mit ihrem Pferd: Was man liebt, das züchtigt man

Von Eva-Elisabeth Fischer

Ja, doch, man schafft es noch in den Liliom vom Molnár Ferenc, den es mit dem fabelhaften Ensemble des Gärtnerplatztheaters jetzt als Oper in der Reithalle gibt. In fünf Vorstellungen (am 11., 12., 16., 17. und 19. November) kann man über die Unbelehrbarkeit des Vorstadt-Strizzis in Sachen Liebe seufzen und die unerträgliche Duldsamkeit der Frauen in Gestalt der geprügelten Julie beweinen. Über Johanna Doderers Musik, welche die widerstreitenden, einander überlagernden Gefühle kongenial widerspiegelt, ist zu recht schon viel Gutes geschrieben worden. Dabei aber kam Librettist und Regisseur Josef E. Köpplinger zu kurz. Nicht nur, dass er als Österreicher über die entscheidende Milieukenntnis verfügt, es gelingt ihm, mit (wort-)tänzerischer Leichtigkeit zu umschiffen, was in den meisten Inszenierungen ultra-peinlich daneben geht: die Szene von Liliom im Himmel vor dem Gottesgericht.

Dem Gefühls-Analphabeten, der seine Frau schlägt und dann auch seine Tochter, geht es ähnlich wie hilflosen Reitern mit ihrem Pferd: Was man liebt, das züchtigt man. Reitprofis bedienen sich hinter verschlossenen Hallentoren verbotener Methoden, ihre Pferde gefügig zu machen: die Rollkur genannte Beizäumung weit über die Schmerzgrenze hinaus, Elektrosporen. Nicht nur in der Sportdressur haben sich Ausbildungsfehler etabliert, die als solche gar nicht mehr realisiert werden. Anja Beran, die im eigenen Stall sowie nun auch im Haupt- und Landesgestüt Schwaiganger nach den Regeln der Reitkunst alter Meister unterrichtet, wendet sich in ihrer 7. Fachtagung im Circus Krone, einem besonders wichtigen Thema zu: Blickschulung - pferdegerechte Ausbildung erkennen. Sie sensibilisiert die Wahrnehmung des Betrachters anhand von Bewegungsstudien in Trickanimationen. Man lernt zu sehen, was, falsch antrainiert, dann auf Turnieren vorexerziert und von Richtern oftmals mit Höchstnoten bewertet wird. Und lernt die harmonische Balance umso höher zu schätzen, die ein gut gymnastiziertes, zufrieden kauendes Pferd auszeichnet. Mit von der Partie ist wie jedes Jahr Jana Mandana, die Junior Chefin des Circus Krone, mit einer Freiheitsdressur. Wie sich ein gesundes, korrekt ausgebildetes Pferd hält und bewegt, referiert die Chiropraktikerin Elisabeth Albescu aus fachtierärztlicher Sicht (Sonntag, 20. November, 11 bis 16 Uhr).

Wäre sie Vielseitigkeitsreiterin, könnte sie von Michael Jung wohl einiges lernen, hat Anja Beran einmal bemerkt. Jung ist dieser total entspannte Mensch, der nicht nur vor dem Wettbewerb mit seinem Sam chillt, dann auf der Geländestrecke nonchalant die kniffligsten Hindernisse nimmt und auch noch im Parcours und dem Dressurviereck gute Figur macht. Dafür errang er in Rio de Janeiro Mannschaftssilber und Einzelgold. Er hat das gewisse Etwas, das das Gute vom Besonderen unterscheidet. Und dafür, so sieht es aus, braucht er keine miesen Tricks auf Kosten seiner Pferde. Auch heuer reitet er wieder bei den Munich Indoors in der Olympiahalle (10. bis 13. November), dem allherbstlichen Hallenturnier, das weniger Reitkunst als Nervenkitzel verspricht, speziell bei den Springwettbewerben. Panem et circenses, Brot und Spiele will das Volk. Diesem Wunsch gehorchen die Munich Indoors, vor allem aber der Zirkus und natürlich irgendwie auch das Theater. Besonders dann, wenn ein Hutschenschleuderer vom Prater die Hauptfigur ist.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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