Vorbericht:Wunschlos glücklich?

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Gärtnerplatztheater geht mit "Gold" auf Schul-Tour

Von Barbara Hordych, München

Tritt die Magie des sprechenden Fischs in Kraft, rieselt Goldglimmer auf die 150 Zuschauer in der Turnhalle der Grundschule Berg am Laim herab. Und natürlich springen die begeistert von ihren Sitzen auf, suchen den glitzernden Staub mit den Händen zu erhaschen. Doch je größer die Wünsche sind, die es zu erfüllen gilt, desto kleiner wird nicht nur der Fisch, desto aufgewühlter wird nicht nur das Meer - desto mehr Schwarz mischt sich auch in den Goldglimmer. Ein schönes Bild für die Erfahrung, die der kleine Jakob und seine immer maßloseren Eltern in dem Musiktheater "Gold!" auf der Grundlage des Grimmschen Märchens "Vom Fischer und seiner Frau" machen: Zwar bekommen sie alles, was sie wollen, angefangen bei neuen Schuhen über ein Haus, ein Schloss, Personal bis hin zum Traumurlaub. Doch glücklicher wird die einst arme Familie dadurch nicht. Im Gegenteil. Zum Schluss ist sie von den Ergebnissen ihrer unersättlichen Wünsche so erschöpft, dass sie flehen: Lieber Fisch, die letzte Bitt', die ganze Welt nur für uns zu Dritt."

Doch bis es soweit kommt, haben die Grundschüler bei der Premiere mit einem riesigen blauen Tuch gleich mehrere Male das "Meer" wild bewegt, hat der Percussionist Thomas Hastreiter in Zylinder und Weste für so manchen Wirbel auf Vibrafon, Woodblocks, Marimbafon und Bass Drum gesorgt. Und Sängerin Elaine Ortiz Arandes, in Jeanslatzhose, Ringelshirt und mit rotem Pumucklschopf, hat mal dunkel flüsternd, mal hell aufgeregt, mal erzählend und mal singend sowohl dem kleinen Jakob als auch dessen Vater und Mutter mit ihrer erstaunlich wandlungsfähigen Stimme Leben eingehaucht. Als ein Glücksgriff erweist sich die Entscheidung von Regisseurin Susanne Schemschies, für ihre zweite Gärtnerplatztheater-mobil -Produktion "Gold!" zu wählen: Komponiert von Leonard Evers, mit einem Libretto von Flora Verbrugge, erzählt das Stück in einer seltenen, aber aparten Kombination von Sängerin und Percussionist witzig und mit unaufdringlichem Ernst von den Tücken der Gier nach immer mehr. "Ein sehr heutiges Thema", sagt Susanne Schemschies, "das auch die Erwachsenen einmal überdenken sollten. Wenn beide Eltern tagtäglich zur Arbeit rennen, um ihren Kindern die neueste Playstation und das neueste Smartphone-Modell kaufen zu können."

Jeder erfüllte Wunsch steigt in der Turnhalle als goldener Luftballon an die Decke. Am Ende sind sie jedoch alle wieder verschwunden. Wirklich alle? "Nur Jakob behält seine neuen Schuhe an", stellt ein Junge im Gespräch nach der Aufführung fest. "Und was meinst du, warum?" fragt ihn die Regisseurin. "Sie waren das Einzige, was Jakob wirklich wollte", überlegt der Schüler. Alle anderen Wünsche kamen eigentlich von den Eltern.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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