Volkstheater:Mama Medea

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"Medea": Julia Richter versucht am Volkstheater, die Figur aus Euripides' Drama mit ihren eigenen Gedanken zu füllen. (Foto: Arno Declair)

Im Krippenspiel bekam sie Lachkrämpfe, nun spielt Julia Richter ihre erste Hauptrolle in Euripides' berühmter Tragödie

Von Christiane Lutz

Als der Regisseur Abdullah Karaca bei der Schauspielerin Julia Richter anrief, um ihr zu sagen, dass sie die "Medea" in seiner Produktion spielen solle, war sie praktischerweise ohnehin gerade auf Griechenland-Urlaub. Dem Heimatland aller antiken Sagen, dem Heimatland von Medea. "Ich war erst sehr panisch, wie ich schnell an den Text komme", sagt Julia Richter, "und hab' dann noch versucht, die Atmosphäre dort ganz intensiv aufzusaugen". Es ist Julia Richters erste Hauptrolle am Volkstheater. Überhaupt ist es eine von Richters ersten Rollen. Die 25-jährige Österreicherin ist frisch von der Schauspielschule engagiert worden und weiß noch gar nicht recht, wie ihr geschieht. Sie sei noch gar nicht richtig in München angekommen, sagt sie bei einem Gespräch im "Schmock", habe außer ihrer Wohnung und dem Volkstheater noch nichts von der Stadt gesehen. Und nun gleich Medea. Medea, die sagenumwobene Kindsmörderin. Medea, die enttäuschte Liebende. Medea, die Feministin. Viel hat Julia Richter über diese Medea nachgedacht und sich die Frage gestellt: "Was kann ich Medea geben? Einer Figur, die so behaftet ist, einer Projektionsfläche, einer Figur, unter der sich jeder etwas anderes vorstellt?"

Julia Richter hat rotblondes Lockenhaar und helle blaue Augen. Ihre Stimme ist angenehm herb. Ihren niederösterreichischen Dialekt, den hat sie sich mühsam abtrainiert, "nur um hier festzustellen, dass alle meinen Dialekt mögen". Richter ist auf dem Land aufgewachsen zwischen Feldern und Bauernhöfen, wo Theater in Form von Krippenspielen vorkam. "Da hab' ich mit sieben Jahren als Hirte einen solchen Lachkrampf bekommen, dass die Oma jahrelang böse war." Sie fand ihren Weg auf die Schauspielschule nach Graz und begann, sich Gedanken zu machen, was Schauspielerin sein eigentlich bedeutet - besonders für sie als Frau.

"Es fiel mir beim Vorsprechen für die Schauspielschule auf. Es gab viel zu wenig widersprüchliche, zerrissene Frauenfiguren, besonders in der klassischen Literatur. Entweder sind sie das süße Mädel oder die trauernde Liebende." Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass auch das Theater ein von Männern dominierter Betrieb ist. "Und dabei will doch die Kunst der Gesellschaft den Spiegel vorhalten? Oder wenigstens Vorreiter sein? Es gibt aber noch so viel aufzuholen."

Figuren wie Medea sind für sie daher auch aus einem feministischen Aspekt heraus wichtig: "Medea tötet ja nicht blind, sie tötet auch ein männliches Machtprinzip, indem sie verhindert, dass die Dynastie fortbestehen kann. Sie bringt Kreon und Jason um ihre Thronfolger." Das müsse von einer Frau gespielt werden. Der Konflikt eines Hamlet hingegen sei so abgekoppelt von seinem Geschlecht, dass die Rolle nicht zwingend von Männern gespielt werden müsse. Am Residenztheater zeigt Valery Tscheplanowa als Franz Moor in den "Räubern" aktuell, wie das gelingt.

Überhaupt sieht Julia Richter den Schauspielerberuf und das Theater im Wandel: "Die Grenzen zwischen Schauspiel und Performance verschwimmen immer mehr. Ich glaube, es ist wichtig, sich in funktionierenden Systemen nie zu sicher zu fühlen. Sonst läuft man Gefahr, zu verpassen, was draußen eigentlich passiert. Wo man die Menschen abholen muss." Welche Art von Schauspielerin sie selbst sein will, das weiß Julia Richter noch nicht. Muss sie auch nicht. Medea ist auf jeden Fall ein starker Anfang.

Medea , Premiere am Donnerstag, 24. November, 19.30 Uhr, Volkstheater, Brienner Str. 50

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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