Vokalmusik:Schöpfungsgeschichte

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Unter der Leitung von Kent Nagano sang der Chor bei der Eröffnung der Elbphilharmonie. (Foto: Michael Zapf)

Die Jugendchorakademie hat sich in den vergangenen zehn Jahren profiliert, gerade weil die Kraft des Ensembles auch in der permanenten Erneuerung liegt

Von Yvonne Poppek

Energie, Vitalität, Dynamik, das sind die Worte, die Martin Steidler zur "Audi Jugendchorakademie" einfallen. Der Chorleiter und zugleich Professor an der Münchner Musikhochschule hält zudem Begriffe wie "Begeisterung", "Gemeinschaftserlebnis" und "Gleichgesinnte auf hohem Niveau" fest. Steidlers Verhältnis zu dem Ensemble ist aus diesen Beschreibungen unschwer als schwärmerisch zu identifizieren. Zehn Jahre schon prägt er den Chor. Und der Chor auf seine Weise auch ihn. "Er ist fester Bestandteil meines musikalischen Lebens", sagt er. Ein bereichernder.

Wenn man mit Martin Steidler und auch dem Geschäftsführer des Chores Sebastian Wieser über die Jugendchorakademie spricht, scheint sich die Energie bei ihnen abgelagert zu haben, mit solcher Hingabe reden sie von dem Ensemble. Dabei machen sie diese Energie an der Alterszusammensetzung fest: Die Sänger sind zwischen 16 und 27 Jahren alt. Mit 28 Jahren scheidet man aus der Jugendchorakademie aus. Permanente Erneuerung ist also Teil des Programms, die Dynamik ist vorgesehen. In dem Jahr, in dem der Chor gegründet wurde, war die Zusammensetzung also eine komplett andere als heute. Nun blickt die Jugendchorakademie auf zehn Auftrittsjahre zurück - und feiert dies am Donnerstag, 19. Juli, mit der "Schöpfung" von Joseph Haydn bei den Audi Sommerkonzerten.

Die Sommerkonzerte und die "Schöpfung" sind dabei auch der Ursprung des Ensembles. 2007 initiierten Steidler und Wieser dessen Gründung. "Ein Chor bringt viel in ein Festival herein", sagt Steidler. Die Konzertformate und die Besucherstruktur seien bei den Audi Sommerkonzerten damals noch sehr klassisch orientiert gewesen, ergänzt Wieser. "Wie schafft man es, die Barriere zwischen Publikum und Bühne abzuschaffen?" Aus diesen Überlegungen heraus wurde also die Jugendchorakademie geboren: ein projektbezogener Chor aus jungen Menschen, der durch seine individuelle Förderung zugleich Akademie-Charakter besitzt.

Der erste Auftritt galt 2008 den Audi Sommerkonzerten mit der "Schöpfung". "Damals wussten wir nicht, wie es das erste Mal läuft", sagt Steidler. "Hochgepokert" hätten sie - und schon allein deshalb auf eine Literatur gesetzt, die bei Publikum und Sängern gleichermaßen beliebt ist. "Das musste gleich etwas sein, was ein ordentlicher Knaller ist." Die Rechnung der Initiatoren ging damals auf, das Debüt kam bestens in Ingolstadt an. "Es war Begeisterung und Feuer darin", sagt Steidler. "Das werde ich niemals vergessen."

Es verging nicht viel Zeit, bis das Ensemble auffiel. 2010 trat es das erste Mal mit Kent Nagano und dem Bayerischen Staatsorchester mit Werken von Mendelssohn, Brahms und Schumann auf. Anfang 2011 erschien eine gemeinsame CD. Nagano sei der "wichtigste Mentor", sagt Steidler. In seiner Zeit als künstlerischer Leiter der Audi Sommerkonzerte ließ er der Jugendchorakademie beim Vorsprung-Festival eine wichtige Rolle zukommen; er brachte sie mit wichtigen Orchestern zusammen wie etwa dem London Symphony Orchestra; er fuhr mit ihr und mit dem Staatsorchester nach Rom für einen Auftritt beim Papst; unter seiner Leitung sang der Chor bei der Eröffnung der Elbphilharmonie. Mittlerweile kämen Anfragen von Orchestern, die gerne mit der Jugendchorakademie arbeiten würden, sagt Wieser. Ihren Namen haben sie sich - auch mit ihren a-capella-Auftritten - also gemacht.

Insgesamt 160 junge Menschen seien in dem Chor aktiv, zwischen 60 und 90 Sängerinnen und Sänger treten dann je nach Projekt auf, sagt Steidler. Geprobt wird gemeinsam sechs bis sieben Mal im Jahr für vier, fünf Tage. Wer in den Chor aufgenommen werden will, hat einmal im Jahr die Gelegenheit, sich beim Vorsingen zu bewerben. Eine musikalische Vorbildung ist Voraussetzung, um beispielsweise vom Blatt singen zu können. Aber obwohl die meisten Sänger Studenten sind, sind nur etwa ein Drittel von ihnen auf dem Weg zum Profi-Musiker. "Wir wollen prinzipiell für alle offen sein", betont Wieser. Betreut werden sie von einem Team, das seit Beginn in der Zusammensetzung gleich ist: Chorleiter, Korrepetitor, vier Stimmbildnern und dem Geschäftsführer. "Das ist auf jeden Fall ein Erfolgsfaktor", schätzt Wieser.

Nun also wieder "Die Schöpfung" - mit Solisten, die alle einst in der Jugendchorakademie gelernt haben und der Akademie für Alte Musik Berlin, eines der renommierten Orchester, mit dem die Jugendchorakademie schon mehreres realisiert hat. Das Konzert wird anders sein als 2008, glaubt Steidler. "Der Klang ist reifer und erwachsener geworden." Manches bleibt aber sicher unverändert: Energie, Vitalität, Dynamik.

Joseph Haydn: Die Schöpfung mit der Audi Jugendchorakademie und der Akademie für Alte Musik Berlin, Do., 19. Juli, 20 Uhr, Festsaal Ingolstadt

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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