Völkerkunde:Demonstrativer Akt einer Neuorientierung

Lesezeit: 2 min

Die Umbenennung des Völkerkundemuseums in Hamburg soll auch als inhaltliche Erneuerung verstanden werden. (Foto: imago)

Das Hamburger Museum für Völkerkunde soll umbenannt und mit einem zeitgemäßeren Namen versehen werden. In Zeiten der politischen wie sprachlichen Vorsicht keine leichte Aufgabe.

Von Till Briegleb

Es gibt gerade kaum ein Gebiet, wo Sprechen so heikel ist, wie im interkulturellen Dialog. Da verlangen aufgeregte Aktivisten, dass alle Menschen, die nicht weiß sind, als "People of Colour" bezeichnet werden müssen, während die Gegner von solchen Sprachschöpfungen den schwarzen Rapper Tongue Forest zitieren. Der beschreibt in einem Song, wie der weiße Mensch bei Geburt, Krankheit, Kälte oder Sonnenbrand mal rosa, mal gelb, blau oder rot aussieht, um mit dem zornigen Refrain zu schließen: "And You Got the Fucking Nerve to Call Me Coloured!"

Derartige Konfrontationen um den richtigen Ausdruck durchziehen gerade die gesamte Kulturgesellschaft. Ob es um Blackfacing geht oder die Frage, ob das Wort "Neger" in kritischen Kontexten zur Veranschaulichung von Demütigungen weiter benutzt werden darf; oder bei der Diskussion, ob Kuratoren für außereuropäische Kulturen sich grundsätzlich mit Vertretern dieser Länder über Text und Inhalt von Projekten abstimmen müssen. Die Verunsicherung über die richtigen Vokabeln und das richtige Verhalten ist enorm.

Die ethnologischen Museen stehen bei dieser symbolischen Neuordnung natürlich an vorderster Sprachfront. Wenn die neue Direktorin des Hamburger Museums für Völkerkunde jetzt den Namen ihres 1879 gegründeten Hauses durch einen zeitgemäßeren ersetzen möchte, dann berührt das einen weit komplexeren Vorgang als den Austausch von Buchstaben am Portal. Barbara Plankensteiner, die vorher am Wiener Museum für Völkerkunde dessen Umwandlung in ein "Weltmuseum" mitgestaltet hat, möchte die Umbenennung als demonstrativen Akt einer inhaltlichen Neuorientierung verstanden wissen.

Das zuletzt im Modernitätsschlaf versunkene Museum, das zwischen altmodischen Vitrinen vor allem Feste von Kulturgruppen, die in Deutschland beheimatet sind, veranstaltete, soll laut Plankenstein ein Ort gesellschaftlicher Diskussion werden. Globalisierung und Migration seien als Themen hier anzusiedeln, aber auch die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit als "ethische Verpflichtung". Für solch eine politische Neustrukturierung scheint ein neues Etikett durchaus geboten, auch wenn damit der historische Verweis aus dem Namen verschwindet, dass "Völkerkunde" seine Geburtsstunde in Zeiten kolonialer Gewalt hatte. Plankensteins Aufgabe muss es nun sein, nicht einfach nur eine schmerzlose Konsensformel zu erfinden, die weitere Amnesie befördert.

Denn natürlich müssen die Plünderungen in den Kolonien als Fundusgeber der Museen bewusst bleiben. Ein jetzt von der Initiative Berlin Postkolonial veröffentlichter offener Brief von 20 NGOs an Angela Merkel, die Kanzlerin möge sich wie jüngst der französische Präsident Emmanuel Macron zur "Rückgabe des afrikanischen Erbes" aus den Museen bekennen, spricht Bände über diese schwierige Diskussion.

Die gleichzeitige Ankündigung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Grabbeigaben aus Alaska an die Chugach Alaska Corporation zurückzugeben, da sie zwischen 1882 und 1884 "ohne Zustimmung der Native People" aus Gräbern entnommen wurden, belegt dagegen auch das Anwachsen historischer Unrechtsverantwortung. Nur die englische Verlegenheitsvokabel "Native People" irritiert etwas. Haben wir noch immer den "fucking nerve", diese Menschen "Ureinwohner" zu nennen? Ist das jetzt richtig? Oder falsch? Sehr heikel zu beantworten.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: