"Uptown Girls - Eine Zicke kommt selten allein":Schwein gehabt

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Nirgends ist der Blick auf die Gesellschaft gnadenloser als in der amerikanischen Komödie. Erst recht bei Regisseur Boaz Yakin.

Von Fritz Göttler

Molly Gunn muss raus aus ihrem Puppenheim, eines Tages sind die fremden Leute da in ihrem Fifth-Avenue-Apartment und lassen die Einrichtung abholen. Ihr Vermögensverwalter, erklärt ihr Anwalt, hat das Weite gesucht, mit den anvertrauten Millionen, nun hat sie nichts mehr außer der Gitarrensammlung des toten Star-Vaters.

Brittany Murphy mit Schwein in einem klassischen Manhattan-Märchen. (Foto: Foto: AP)

Mollys Hausschwein wetzt enerviert herum, und auch die Rock-Prinzessin ist ganz schön perplex . Sie sieht keine andere Möglichkeit, um herauszukommen aus dem Schlamassel, als - eine Arbeit zu suchen.

Man kennt diese Situation, diese Geschichte, ein klassisches Manhattan-Märchen. Nachdem sie sich die eigene Bangigkeit ausgeredet hat, zieht Molly beherzt los, Brittany Murphy spielt sie, mit ihren kugelrunden, immer zum Staunen bereiten Augen.

Der zarte Geist von Holly Golightly spukt durch die eher robuste Geschichte, die Probleme ähneln sich, vor denen Holly/Molly stehen - wie soll man sich einrichten in einem Leben, das nicht mehr Spiel sein kann und doch nie Ernst versprechen will. Wie wird man Teil eines Lebens, das immerzu sich selbst zur Parodie macht. All work and no play ...

Was ist das denn, murmelt Molly, als sie schließlich ihren neuen Arbeitsplatz betritt, sind wir hier in "The Shining"? Sie soll ein Kindermädchen abgeben, für die achtjährige Ray (Dakota Fanning, seit der Rolle als Sean Penns Tochter in "I am Sam" erfahren darin, kleine Nervensägen zu spielen).

Sie kommt Molly mit Mozart und beweist ihre Konzentration bei Ballettübungen. Ihre Mutter ist eine Karrierezicke, der Vater ist abwesend, liegt im Koma. Die zwei Mädchen sind sich völlig fremd, an der Oberfläche, aber im Innern prägt sie die gleiche Einsamkeit.

Nirgends ist der Blick auf die Gesellschaft gnadenloser als in der amerikanischen Komödie. Mollys Vater ist präsent, in seinen Gitarren. Tradition kann grausam sein, die Kette, die einen fesselt an die Vergangenheit, an die verpatzten Chancen zumal. Das Leben glitzert noch in ihnen, aber sie sind auch Fossile, Fetische der Versteinerung.

Es ist etwas Zwanghaftes in diesen Bildern, in ihrem Balanceakt zwischen Dämonie und Anarchie. Michael Ballhaus hat sie gestaltet, in starken Farben, die nicht immer zusammenstimmen. Er hat in Amerika gelernt den Glamour zu lieben, aber von Fassbinder her weiß er, wie schnell die Welt eine Schäbigkeit gewinnt. Man kann in ihr nicht mal die Tür kräftig hinter sich zuschlagen: Vorsicht, Schwingtür!

UPTOWN GIRLS, USA 2003 - Regie: Boaz Yakin. Buch: Julia Dahl, Mo Ogrodnik, Lisa Davidowitz. Kamera: Michael Ballhaus. Mit: Brittany Murphy, Dakota Fanning, Marley Shelton, Donald Faison, Jesse Spencer, Heather Locklear. Twentieth Century Fox, 105 Minuten.

Außerdem laufen an: Die Nacht singt ihre Lieder, von Romuald Karmakar (Feuilleton Mittwoch) Ararat, von Atom Egoyan Autobahnraser, von Michael Keusch Pieces of April, von Peter Hedges

© SZ vom 19.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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