TV-Nachtkritik: Models bei "Beckmann":The next Heidi Geller

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Bei "Beckmann" durfte Heidi Klum über Turnen und Politik reden. Außerdem macht sie vielleicht bald Uri Geller Konkurrenz: Sie würde gerne Britney Spears zurechtbiegen.

Franziska Seng

Das mit dem Reinhold und der Heidi ist was ganz Besonderes. Die sind einfach super Kumpels. Die haben nicht vergessen, wo sie herkommen, obwohl sie doch jetzt so berühmt sind. Sie haben auch viel gemeinsam: "Wir sind beide in einer Kleinstadt aufgewachsen", erklärte einmal Reinhold Beckmann in einem Interview ihre Freundschaft. "Außerdem singen wir beide sehr gerne."

Heidi Klum zeigte sich überzeugt: Sie könnte auch Britney Spears wieder auf den richtigen Weg bringen. (Foto: Foto: ddp)

Heidi Klum durfte dann auch auf das Cover von Reinhold Beckmanns Buch "Ganz persönlich", in dem er seine Talkshow-Interviews mit faszinierenden weiblichen Persönlichkeiten wie Elke Heidenreich, Loki Schmidt oder eben Heidi Klum veröffentlichte. Und sie darf natürlich alle zwei Jahre in seine Sendung: 2004, 2006, 2008.

Neben der Moderatorin und Produzentin von "Germany's next Topmodel" hatte Reinhold Beckmann die Gewinnerinnen der ersten und zweiten Staffel der Sendung, Lena Gercke und Barbara Meier, zu Gast. Von Beginn an strahlten die drei Grazien um die Wette, wobei Heidi dank eines Frisurentricks gewann: Der etwas zu lange Pony und die stark durchgestuften, blondierten Deckhaare umrahmten ihr Gesicht wie einen Heiligenschein.

Der stand ihr im Gespräch gut zu Gesicht. Anders als im Jahr 2006, als sich Heidi Klum bei Beckmann gegen Kritik an der laufenden ersten Staffel von "Germany's next Topmodel" wehren musste, rechtfertigte sie sich diesmal prophylaktisch zehn Tage vor Beginn der dritten Staffel. Wieder einmal betonte sie, dass sie in der Sendung nicht zu gemein zu den Kandidatinnen sei oder sie bloßstelle. So sei eben das Business.

Turnen statt hungern

Erwartungsgemäß erfüllten Heidis Zöglinge ihre Funktion als rhetorische Schützenhilfen: "Es ist wirklich so", säuselten sie unisono über den aufregenden, aber harten Modelalltag. "Heidi hat uns gut vorbereitet." Bei solch lieben Beteuerungen machte sich milde Güte auf dem Gesicht der von Erfahrung gestählten 34-Jährigen breit.

Beckmann stellte noch ein paar Anstandsfragen an die jungen Nachwuchsmodels ("Frau Meier, wie ist es als Rothaarige im Modelbusiness?"), um sich bald wieder ganz dem Hauptgast zu widmen.

Themen wie Essstörungen und falsche Ernährung wurden angesprochen, da jedoch Gegenstimmen im Studio fehlten, kam keine kritische Diskussion zustande. Und Heidi Klum insistierte auf ihrer Vorbildfunktion: "Ich sage doch, dass die Mädchen nicht hungern sollen, sie sollen mehr turnen!"

Ansonsten gab sich der galante Moderator bemüht, der Powerfrau reichlich Gelegenheit zur Darstellung ihrer Macher-Tugenden zu geben. "Heidi, das ist schon ein Hochgeschwindigkeitsleben", und "Wer beantwortet denn deine E-Mails?" - "Ich! Ich muss alles planen!" "Hattest du jemals Selbstzweifel?" - "Nein! Noch nie!" Selbst eine Heidi Klum kann also nicht alles haben.

An Power und Redegewandtheit hinkte Beckmann seinem Gast allerdings leicht hinterher. Er bemühte sich, einen weltgewandten Plauderton im Stile großer Interviewlegenden aufs Parkett zu legen, was nicht immer gelang.

Glaubwürdiger Bill Clinton

Bisweilen verhakte er sich in nichtigen Detailfragen, zum Beispiel, als es um Heidis Outfit für die Oscarverleihung ging: "Hast du schon ein Kleid? Was hat es für eine Farbe? Welcher Designer? Welcher Schnitt? Was kostet es?"

Auch der Themenbereich "Amerika" wurde angesprochen, schließlich lebt Heidi Klum dort mit ihrer Familie und kennt sich aus. Beckmann interessierte sich besonders für den aktuellen Wahlkampf. "Das ist momentan sehr interessant", wusste die gebürtige Bergisch Gladbacherin. "Dass Amerika die Wahl hat zwischen einer Frau und einem Farbigen, das gab es noch nie!"

Bill Clinton kennt sie sogar persönlich: "Ich find' den total super! Ich glaub dem einfach, was er gesagt hat." Das muss man dann fast sympathisch finden, wenn jemand so felsenfest an die Glaubwürdigkeit von Bill Clintons Worten glaubt.

Noch einmal drehte sich das Gespräch um die falsche Ernährung von Jugendlichen, Beckmann stellte außerdem fest, dass von der Gesellschaft ein falsches Körperbild propagiert werde, Klum korrigierte jedoch: "Aber nicht bei uns!"

Lena wusste, dass es ein großes Problem darstelle, wenn Jugendliche zu viel vor Fernseher und Playstation hockten, und Barbara, die schöne Seele, sprach ein großes Wort gelassen aus: "Ich glaube, wer sich an uns dreien orientiert, dem könnte das nicht schaden."

Viel warme Luft

Während man noch über die mögliche Tragweite dieser Aussagen reflektierte, holten einen Klums Ansichten zu Britney Spears mit einem Hammerschlag zurück in die Realität. "Sie kann gerne anrufen und ein paar Monate bei uns wohnen", so Klum über die von Drogenproblemen und Paparazzi heimgesuchte Sängerin. "Ich würde sie schon zurechtbiegen!"

Diese überheblichen Worte hinterließen einen ätzenden Nachgeschmack. Man musste sich unwillkürlich Britney Spears wie Malcolm McDowell alias Alexander DeLarge in "Clockwork Orange" auf einem Folterstuhl geschnallt vorstellen. Das wünscht man Britney nicht.

Heidi hat ihr Fitnessvideo eingelegt und auf Endlosschleife gestellt. Sie würde das vermutlichen hinkriegen, eine gefallene Pop-Prinzessin zurechtzubiegen. Das wäre zwar schwieriger als bei unbedarften Nachwuchsmodells, aber wäre dafür nicht das Erfolgserlebnis größer?

Der Rest der Sendung verlief weiter wie gewohnt, ohne ernste Dissonanzen, ohne beißenden Gegenwind. Es war wie an einem föhnigen Tag in der weiten Ebene, mit viel warmer Luft. Es gibt Menschen, die empfinden solche Situationen als angenehm, aufheiternd, erfrischend. Andere Menschen glauben an solchen Tagen, schier verzweifeln zu müssen.

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