TV-Kritik: "Bully sucht die starken Männer":Ganz oder gar nicht

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Ein TV-Casting ohne kollabierende Kids und schreiende Moderatoren: Michael "Bully" Herbig sucht nach Darstellern für seinen nächsten Film - und scheitert an politischer Korrektheit.

Tomasz Kurianowicz

Bedenkt man die kürzlich entbrannte Mediendebatte um die Risiken und Nebenwirkungen des parasitär um sich greifenden Casting-Wahnsinns, so ist die Sensibilität von Michael "Bully" Herbigs neuer Casting-Show völlig verständlich: Nach zahlreichen gähnend langweiligen Plagiatsversuchen von "Deutschland sucht den Superstar" hat das geschundene Fernseh-Volk genug von frustrierten Hobby-Künstlern, die sich in größter Peinlichkeit die nackte Blöße geben.

Ohne Nebenwirkungen: Die Casting-Show von Michael "Bully" Herbig (r) mit Schauspieler Jürgen Vogel als Juror (Foto: Foto: dpa)

Doch keine Bange! - heißt es schonend aus der Pro-Sieben-Sendezentrale: Diesmal sei alles ganz anders, ganz brav, ganz fair. Da fühlt man sich an Thomas Gottschalks Versprechungen erinnert, der mit einer Musical-Show den Protestzug der anständigen TV-Castings anzuführen versucht.

Bei Pro Sieben wird den Siegern nichts Geringeres versprochen als eine von sechs Rollen für den neuen Bully-Film "Wickie und die starken Männer", der auf einer ZDF-Zeichentrickserie aus den siebziger Jahren basiert und 2009 in die Kinos kommen soll. Die Verfilmung um die sechs charmanten Wikinger-Männchen verspricht ein glänzendes Kapitel in Bullys verwöhnter Erfolgsgeschichte zu werden.

Und die gute Tat gehört mit zum Spektakel: Denn der Filmemacher betont, dass der Sinn der vorher veranstalteten Talent-Schmiede nicht die Denunziation von minder begabten Teenagern sei, sondern eine ernstgemeinte Suche nach überzeugenden Schauspielern. Kurioserweise war genau jene Prämisse Schuld am geringen Unterhaltungswert der ersten Folge.

"Du bist ein echt super Typ"

Die Jury, vertreten durch Jürgen Vogel und Casting-Expertin Rita Serra-Roll, hatte einen schwierigen Spagat zu bewältigen: Einerseits durften und wollten die Profis keinem Kandidaten zu nahe treten; andererseits lebt jedes Casting-Konzept von den Pleiten, Pech und Pannen, über die sich der Zuschauer amüsiert.

Der perfekte Zeitfüller, falls mal kein Talent die Sinne betäubt. Anderweitig sind die Juroren verantwortlich für eine gute Show. Wo aber ein Bohlen Grimassen schneidet, verbal attackiert und damit für hitzige Diskussionen sorgt, dort verbirgt ein Michael Herbig sein Entsetzen hinter bemühten Blicken oder tröstlichen Sprüchen, die selbst den Mann im Mond trefflich beschreiben: "Du bist ein echt super Typ" - war die Antwort für jeden noch so schlechten Versuch.

Ob diese Strategie einem Casting wirklich gerecht wird, bleibt zu bezweifeln. Dagegen sind die Vorsprechen an staatlichen Schauspielschulen explosives Dynamit.

Die Zahmheit von Bullys Sendung macht sie zwar nicht unsympathischer - dafür aber auch nicht spannender. Der Zuschauer bekommt Porträts von unzähligen Alltagsmenschen präsentiert, die sich in freier Stunde einige kurze Minuten Ruhm zu erkämpfen hoffen.

Der Grad der Peinlichkeit ist ein völlig anderer als bei gewohnten Castings: Bei einem Gesangswettbewerb muss der Beobachter schiefe Töne ertragen, die das Trommelfell bedrohlich strapazieren. Bei Bully geht es um Schauspielerei, um Text, um Gestik.

Die dreiköpfige Jury lacht sich zeitweise kaputt, doch der Zuschauer weiß durch die kurzen Zusammenschnitte nicht, was nun so witzig sein soll. Die Situationskomik geht scheinbar verloren, denn die Crux ist das Genre, in dem sich die Sendung bewegt: Um einen wahren Eindruck von der schauspielerischen Leistung eines Kandidaten zu bekommen, braucht es mehr als 60 Sekunden zusammengeschnittenes Material.

Ratlosigkeit siegt

Gesangs-Castings haben es deshalb einfacher, weil sie effektvolle, unmittelbare und leicht zu portionierende Inhalte transportieren, die direkt aufs Gemüt schlagen. An dem monotonen Konzept können die Kandidaten nichts ändern.

Am Ende siegt die Ratlosigkeit, was man von Bullys Vorhaben nun halten soll. Bloß ein Schauspiel-Aspirant zeigte erkennbares Talent - ein aus Delmenhorst stammender und bei seiner Mutter wohnender junger Mann, der mehrere Prominente überzeugend zu imitieren wusste. Das ist zu wenig, um sich 120 Minuten gut unterhalten zu fühlen.

Bully hätte das Casting-Genre parodieren, lächerlich machen oder auf den Kopf stellen können: Herausgekommen ist nichts weiter als ein politisch korrektes Plagiat.

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