Temporäre Künstlerkolonie:Eine Woche Kultur satt

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Der Kunstsommer in Irsee vereint für eine Woche alle Disziplinen

Von Sabine Reithmaier, Irsee

Eine Künstlerkolonie auf Zeit - das ist der Gedanke, der hinter der Philosophie des Schwäbischen Kunstsommers in Irsee steckt. Seit 28 Jahren treffen sich hier für eine Woche im August Künstler und Kunstinteressierte, Meister und Studierende aus zehn Disziplinen. Gemeinsam leben und arbeiten sie unter dem Dach des ehemaligen Barockkloster Irsee, das schon lang die Schwabenakademie beherbergt. Und aufgrund der räumlichen Nähe entwickeln sich oft Kooperationen, die zu ganz besonderen Projekten führen, sagt Markwart Herzog, Direktor der Akademie.

Tatsächlich ist es fast ein Alleinstellungsmerkmal der Akademie, dass völlig unterschiedliche Disziplinen parallel agieren, Synergieeffekte also möglich sind. Malerei, Fotografie, Zeichnung, Graffiti und Textilkunst sind ebenso vertreten wie Chor, zeitgenössischer Tanz, Dramatik und Lyrik. Interdisziplinäres Arbeiten also, aber auch Generationen übergreifendes. Das Spektrum der Teilnehmer reicht von einer 16-jährigen Finnin, die von den Eltern gebracht wird, bis zum 80-jährigen Fotografen, der seine ganze Berufserfahrung mitbringt. Natürlich kommen wie überall, wo es um Kunst geht, mehr Frauen als Männer. "Ohne Frauen könnten wir einpacken", sagt Herzog. Im Gegensatz zu den Männern wären sie daran interessiert, den eigenen Horizont zu übersteigen, neue Erfahrungen zu machen.

Die Dozenten sind allesamt hochkarätig. "Wir arbeiten maximal zweimal mit denselben Meistern, dann holen wir neue Gesichter", sagt Herzog. Eine Ausnahme von dieser respektablen Regel bildeten Chor und Tanz, hier sei eine größere Kontinuität wichtig. Philipp Amelung, seit 2011 Universitätsmusikdirektor in Tübingen und Leiter des dortigen Universitätschors, ist aber trotzdem zum ersten Mal als Dozent hier. Unbekannt ist ihm Irsee dennoch nicht: Schon als Kind trat er hier als Sänger in der Klosterkirche auf, er war nämlich Mitglied des Tölzer Knabenchors. Jetzt obliegt es ihm, mit dem Chor ein Programm zu erarbeiten einschließlich einer Uraufführung. Denn die Akademie hat den jungen Komponisten Stefan Johannes Hanke mit einem Werk zum Thema "Licht" beauftragt, passend zum Internationalen Jahr des Lichts.

Ebenfalls als Dozent mit dabei ist Loomit, der ganz in der Nähe, nämlich in Buchloe, 1983 seine Karriere als Graffiti-Writer begann. Damals bemalte er den Wasserturm, was genauso wenig legal war wie das Sprühen von S-Bahnen, das dem inzwischen weltbekannten Graffitikünstler seinerzeit eine Reihe von Gerichtsverfahren einbrachte. Inzwischen stehen ihm aber ganz offiziell genügend Wände zur Verfügung. Die Gemeinde Irsee jedenfalls scheint ihn zu schätzen. Vor drei Jahren verschönerte er mit seiner Klasse die Grundschule, die Wertstoffanlage und eine Bushaltestelle. In diesem Jahr stellt die Kommune ihre Kläranlage mit weißer, fensterloser Funktionsarchitektur für die Verschönerung zur Verfügung.

Dramatik betreut Theresia Walser, um den Nachwuchs im zeitgenössischen Tanz kümmern sich bereits seit einigen Jahren Jochen Heckmann und Adriana Mortelliti. Fotokünstlerin Nathalie Grenzhaeuser arbeitetet sich mit ihrem Kurs an geschichtsträchtigen Orten ab, zum Beispiel dem Fliegerhorst oder an der Kaserne in Kaufbeuren, aber auch Kriegerdenkmäler stehen auf ihrer Liste. Die Malerei vertreten Heribert C. Ottersbach und Konrad Winter, Christian Weihrauch die Zeichnung. Erstmals gibt es sogar eine virtuelle Kunstgalerie, ein Online-Angebot, das den Teilnehmern der Meisterklassen in den bildenden Künsten offensteht.

Endlich könnten sie ihre Arbeiten dauerhaft präsentieren, sagt Herzog, endlich falle der Frust weg, nur für eine siebenstündige Ausstellung gearbeitet zu haben. Trotzdem wird es wie immer auch eine wirkliche Ausstellung geben, genauso wie zwei Chorkonzerte. Und auch die Dramatiker und Lyriker werden ganz bestimmt von sich hören lassen.

Kunst-Sommernacht, Schwäbische Akademie Irsee, Samstag, 8. August, Einlass von 17 Uhr an, Ende gegen 23 Uhr, Infos: www.kunstsommer.info

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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