Tatort Text:Maffia in Muggenpfuhl

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SZ-Grafik (Foto: N/A)

Harald J. Marburgers Krimi "Totengräberspätzle"

Von Christian Jooß-Bernau

"Totengräberspätzle" - offensichtlicher als mit diesem Romantitel kann man nicht den Versuch machen, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Der Emons Verlag ist spezialisiert auf Regionalmorde. Neu im Programm: "Der Pate vom Chiemsee", "Thüringer Teufelswerk", "Tod im Hopfengarten" und so weiter und so fort. Das meiste druckt und duckt sich unauffällig weg. Harald J. Marburger aber hat für seine "Totengräberspätzle" in diesem Jahr den Glauser-Preis in der Sparte "Debüt-Kriminalroman" bekommen, dem im deutschsprachigen Krimigewerbe mindestens die Beförderung zum Ersten Kriminalhauptkommissar gleicht. Bis jetzt war Marburger alles mögliche - auch Polizeiübersetzer -, arbeitet aktuell als Redakteur und Autor für das TV-Magazin Galileo und hat, wie der Verlag mitteilt, Horror-Kurzgeschichten in der Heftchen-Reihe "Geisterjäger John Sinclaire" geschrieben.

"Totengräberspätzle" spielt in einer schwäbischen Kleinstadt namens Muggenpfuhl. Das erste Bestattungsunternehmen des Örtchens leitet Johann Gottesacker, der italienische Sonderermittler heißt Francesco Caruso, und das Polizeitelefon bedient Therese Knöpfle. Wer seinen Figuren solche Namen gibt, kommt wahrscheinlich in die Hölle. In einer filmischen Sequenz schwebt man zu Beginn vom Kirchturm Muggenpfuhls hinab auf den Friedhof, wo gerade ein Trauerzug den Vizebürgermeister zu Grabe trägt. Gottesacker hat das Beerdigungsmonopol - bis Henning Lindhorst mit seinem Bestattungsmobil in die Stadt rollt, um das Leichengeschäft als "Progressivbestatter" aufzumischen. Die Sätze sind kurz, die Kapitel auch. Der Sprachstil effizient und weitgehend ohne ornamentale Plattitüden. Marburger erzählt im Präsens, was anfangs als Marotte erscheint und dann eine hübsch atemlose Anmutung hat, wo sich die Ereignisse unablässig übereinanderschieben.

In einem sizilianischen Dorf wird ein Mafiaboss erschossen und zur Beerdigung und aus sonstigen Gründen nach Muggenpfuhl zu Donna Elvira versandt, die hier eine Trattoria führt und Mafiaspätzle serviert. Gottesacker klaut seinem Bestatterkonkurrenten Lindhorst die Leiche. Die schwäbische Szenerie reichert sich an mit Mitgliedern der Cosa Nostra, Fäulnisgasen, einem kurzen Auftritt der Vogelspinne Thekla und den Bestatterkindern Anselm und Julia, die zu Romeo und Julia auf dem Dorfe werden. Es ist hanebüchen. Aber noch lange nicht das Ende.

Marburger ist ein furchtloser Fabulierer, der Menschen, Tiere, Sensationen auf die Seiten wirft und dann, wenn man sich an die Lautstärke gewöhnt hat, einfach noch lauter dreht. Im Verwesungsdunst materialisiert sich eine Packung Kokain. Plötzlich sind die Russen da. Caruso ermittel als Mönch verkleidet. Actionszenen sind jetzt unvermeidlich. Genauso wie der Auftritt eines Profikillers, den sie Sandmann nennen und der von einer Klapperschlange gebissen wird: "Was an sich nicht das Problem wäre, denn er hat schnell wirkendes Antivenin in seinem Koffer." Wer da nicht schon lange kapituliert hat, der hat Sinn für Trash, der hier mit fröhlichstem Enthusiasmus so wild zusammengebastelt wird, dass ein paar lose Enden aus der Geschichte baumeln. Dass es zum Schluss noch zum großen Knall und einer "Schneise der Verwüstung" kommt - Ehrensache.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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