Tanztheater:Qualitätsgespür

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Das Festival Dancefirst in Fürstenfeld

Von Eva-Elisabeth Fischer, Fürstenfeldbruck

Heiner Brummel heißt der Mann, dem an diesem Abend wieder einmal die Sympathien des Publikums entgegenbranden. Er ist der künstlerische Leiter des kleinen, feinen Festivals Dancefirst, das nach seinem Debüt 2016 nun in die gleichermaßen erfolgreiche zweite Runde ging. Brummel hat in Klaus Liedel, dem Leiter des rührigen Fürstenfeldbrucker Theatervereins, einen ebenso engagierten Mitstreiter, so dass ins Veranstaltungsforum Fürstenfeld schon seit langem Theater- und Tanzaufführungen eingeladen werden, wie man sie auch in der Landeshauptstadt gern sehen würde.

Deshalb fahren etliche Münchner auch bei brütender Hitze nach Fürstenfeld, um dann durch die herrliche Klosteranlage in den luftigen Stadtsaal zu wandeln. Dort ist, wie meist bei derartigen Vielzweckräumen, die Sicht mäßig auf all das, was durchaus sich ganz und gar zu sehen lohnte. Brummel hat nicht nur ein Gespür für Qualität, sondern denkt und handelt integrativ. Mündet die Programmplanung nach dem Motto "für jeden etwas" meist in ein mediokres Allerlei, gelingt es ihm, Diverses mit leichter Hand unter einen Hut zu bringen. Was Ballettchef Igor Zelensky gebetsmühlenartig als programmatische Maxime fürs Bayerische Staatsballett ausgibt, nämlich global zu denken, aber den lokalen Gegebenheiten entsprechend zu handeln, treibt der Festivalchef buchstäblich auf die Spitze.

So findet hier die örtliche Tanzszene unter dem Motto "Made in FFB" wie auch Ivan Liškas Bayerisches Junior Ballett jeweils ihr Publikum neben qualitätsvollen Geheimtipps und internationalen Rennern. Vor zwei Jahren begeisterte man sich in Fürstenfeld für Dada Masilos schwarzen, feministischen "Swan Lake", der längst weltweit Wellen schlägt. Diesmal schwärmen, die, welche sie gesehen haben, von der bisher leider nicht wirklich nur Insidern bekannten National Dance Company Wales. Und zum schönen Schluss räumt vor nahezu ausverkauften Zuschauerreihen das Ballett Preljocaj ab, die Kompanie des weltweit gefeierten franco-albanischen Choreografen gleichen Namens.

Seit 1996 residiert er mit seinen 26 Tänzerinnen und Tänzern im Pavillon Noir, einem extravaganten Stahl-Glas-Kubus im nationalen choreografischen Zentrum von Aix-en-Provence und findet auch noch Zeit, das Repertoire großer Balletthäuser wie des Pariser Opernballetts oder des New York City Ballet mit oftmals sehr gefälligen Kreationen der gemäßigten Moderne zu bereichern. In Fürstenfeld reiste er mit einem Potpourri aus zehn sehr unterschiedlichen Choreografien an, einem Rückblick auf die vergangenen 22 Jahre seines Schaffens. Geschickt montiert, ist "Playlist #1" eine Palette erlesener Häppchen, in höchster Bewegungskultur dargereicht.

Am tollsten ist das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel dreier Paare auf drei Stühlen als atemberaubendes akrobatisches Crescendo. Das dicke Ende von 90 Minuten Tanz aber dominieren Szenen aus dem "Schneewittchen" und "Romeo und Julia". Hier die böse Stiefmutter mit Ringertrikot unterm Hexencape, die die zarte Schöne mit ihrem vergifteten Apfel in die Knie zwingt; da das Liebespaar in der Balkon- und dann in der endlosen Gruftszene. Dort schwingt Romeo im Fetzenlook seine scheintote Julia minutenlang in seinem unerbittlich liebenden Klammergriff gummigliedmaßenschlackernd umher. Ein vielbejubeltes Ende mit Schrecken.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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