Tanz:Kopierkunst

Lesezeit: 2 min

Das Projekt "Transformance CityXChange"

Von Rita Argauer, München

In der Wissenschaft läge der Vorwurf des Plagiats nahe. Beim Tanzprojekt "Transformance CityXChange" macht man nichts anderes, als sich der Ideen anderer zu ermächtigen und sie als seine eigenen zu deklarieren. Doch in dem Format, das das Tanzbüro München in Zusammenarbeit mit freien Tanzszenen in Nürnberg, Regensburg, München und Passau zum vom bundesweiten Dachverband Tanz ausgerufenen Tanzjahr 2016 entwickelte, wird das Plagiat zum schöpferischen Prozess erklärt. Dafür haben sich 35 Tänzer und Choreografen aus vier bayerischen Städten zusammen getan und ihre Ideen in einen Pool der Neuverwertung geworfen. Konkret ist das eine Art Austauschprojekt: Alte Choreografien der Szene wurden per Losverfahren neuen Künstlern zugeteilt.

Die sollten diese aber nicht schlicht wieder aufnehmen oder nachtanzen, sondern die grundlegenden Ideen der Stücke weiterspinnen. "Die meisten Tänzer haben die originalen Choreografien nicht einmal gesehen", erklärt Simone Schulte-Aladag vom Tanzbüro München. Das sei jedoch gewollt gewesen, denn diese verdrehten Reenactments sollen so zu einer Art "lebendigem Archiv" werden. 13 Uraufführungen sind daraus entstanden. Am vergangenen Wochenende fanden in Nürnberg die ersten Vorstellungen statt, über den Oktober hinweg wandert man weiter nach Regensburg, München und Passau.

Sabine Glenz dreht sich bei diesem Festival in gewisser Weise einmal um sich selbst: Ihr Stück "Soft Cut" interpretiert die Regensburgerin Alexandra Karabelas zu "No Cut", während Glenz aus "Le sceptre et La marotte" von Ludger Lamers ein neues Stück namens "Lu mer" schuf. Ein Tanzreigen, auch auf formaler Seite, der auch noch einen anderen Aspekt beinhaltet: Kennenlernen, Vernetzen, Kooperieren. Denn viele der einander zugelosten Tänzer kannten sich vorher nicht, wie etwa Ceren Oran und ihre Vortänzerin Susanna Curtis. Im Idealfall soll sich daraus ein nationales oder gar internationales Austauschformat entwickeln, wie Schulte-Aladag hofft. Denn im Moment arbeite jede Stadt noch fast ausschließlich für sich selbst.

Doch eigentlich wäre es so einfach, die Stücke, die in jeder Szene entstehen, auszutauschen, Gastspiele zu geben, sich zu vernetzen. Der Begriff vom romantisch vereinsamten Genie ist spätestens seit den Achtzigerjahren sowieso überholt. Und hier werden Werkbegriff, Original und Interpretation noch einmal mit dem ganz zeitgemäßen Vernetzungsnutzen weiterverquirlt. Dennoch will man nicht, dass das Original dabei untergeht: An den verschiedenen Spielorten sollen zu den Vorstellungen in Form von Installationen oder Projektionen auch die zugrunde liegenden Originalstücke ausgestellt werden.

Transformance CityXChange, Samstag, 8. Oktober, Theater an der Universität Regensburg, Freitag, 14. Oktober, Stadttheater Passau, Samstag, 15. Oktober, Theater Hoch X München

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: