Tanz:Auferstehung eines Rauchers

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Möglicherweise inspirierte Intendant Josef Köpplinger seinen Ballettchef zur Musikwahl für "Jean". (Foto: Marie-Laure Briane)

"Jean und Antonín" mit dem Ballett des Gärtnerplatztheaters

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Man darf zwischendurch ruhig mal die Augen schließen und einfach nur zuhören. Denn in der akustisch ja durchaus tauglichen Reithalle erfreut das klanglich transparente Dirigat Michael Brandstätters von Antonín Dvořáks achter und Jean Sibelius' siebter Symphonie, zweier sehr verschiedener Werke. Es gelang ihm, selbst dem Sibelius-Monstrum Leben einzuhauchen. 30 Minuten dramatisch-dräuender, brodelnder Klangmulm unter flächig wallender Oberfläche - ein tönendes Epos als Verneigung des finnischen Komponisten vor Richard Wagner in nur einem einzigen Satz, bildet das kompakte Gegenstück zu Dvořáks wie ein Puzzle mit immer neuen Motivteilen aufwartender Achter. Die ihr innewohnende Lebhaftigkeit samt ihrer folkloristischen, melancholisch grundierten Melodienseligkeit kam dem Orchester allerdings noch mehr zupass. Beide Stücke sind an diesem Abend ein Hörgenuss und, wie es sich in dieser Aufführung aufs Neues bestätigte, sich selbst genug.

Aber es handelt sich ja nun mal um einen Ballettabend, den ersten symphonischen, wie ihn der generell findige Ballettchef Karl Alfred Schreiner ehrgeizig erdacht hat. Obwohl die beiden Uraufführungen "Jean und Antonín" heißen, steht der eingängigere Dvořák am Anfang. Für den quirligen irischen Choreografen Michael Keegan-Dolan, der diesem Komponisten hier das erste Mal begegnet ist, liegt Böhmen am Meer, und zwar direkt auf der grünen Insel. In "Antonín" macht er uns weis, dass irische Begräbnisse einem Karneval gleichen und inszeniert eine fröhliche Leich' als tragikomisches Tanztheater: Konfettikanonen, Luftschlangen, Faschingshütchen. 16 Frauen und Männer, tolle Tänzer allesamt, nehmen auf zwei parallelen Stuhlreihen Platz und von dort aus in Angriff, was man nur als grundsätzliches Missverständnis goutieren kann.

Immerhin verfügt Keegan-Dolan über ein gutes Gehör, greift die musikalische Rhythmik tänzerisch bereits im musiklosen Prolog auf im Donner aufstampfender Schuhsohlen. Er lässt die Frauen ihr Langhaar werfen und stellt die markanten Typen der Kompanie in barfuß getanzten Soli aus, in denen sie irgendwelche inneren Befindlichkeiten ausstellen. Und am Ende entsteigt der Leichnam dem Luftballon-bekränzten Sarg, zündet sich eine an und geht rauchend von dannen.

Es ist Karl Alfred Schreiner, der sich nach der Pause daran macht, die finnischen Seen und Wälder in seinem Ballett "Jean" zu einer Art weitläufiger Seehundbank einzuebnen. Locker verteilt, bevölkern die Tänzer in seeblauen Mesh-Optik-Outfits diese einzeln, zu zweien, zu dreien oder zu viert, wie sich pelzende Robben. Oder sie durchstochern asynchron mit gewinkelten Armen oder Beinen die Luft, bäumen sich bäuchlings auf wie die möglicherweise unfreiwillig zitierten Wiedergänger aus den Sechzigerjahren, als sich Tänzer noch ganz abstrakt in Ganzkörpertrikots verbogen.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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