SZ-Serie: Slam drüber:Im Barbieparadies

Lesezeit: 1 min

Mehr Dichtung als Wettstreit: "Poetry in Motion"

Von Barbara Hordych

Das hätten sich die blondhaarigen Barbies, die vor Tausenden alter Gedichtbände in Autos sitzen, am Pool lungern und in rosa Häusern residieren, sicher nicht träumen lassen. "Black Women are Killed by the Police Too" skandiert die 21-jährige, nigerianisch-amerikanische Spoken-Word-Poetin Soré Akbaje mit Verve. Und prangert in ihrem Text die mediale Berichterstattung bei polizeilichen Übergriffen auf Schwarze an: Brutales Vorgehen, ja sogar Erschießungen fänden nur Beachtung, wenn die Opfer Jungen und Männer seien. Die Schicksale von Mädchen und Frauen blieben unerwähnt, beklagt die Studentin aus New York in ihrem emotionalen Vortrag.

Wie jeden zweiten Montagabend im Monat haben Ko Bylanzky und sein Schulfreund, der DJ Rayl Patzak ins Lyrik-Kabinett geladen. Während aber die Püppchen ungerührt verharren, reißt es die dicht gedrängt sitzenden Zuhörer, alle um Mitte Zwanzig, zu frenetischem Applaus hin. Womit sich die Bühne des Lyrik Kabinetts einmal mehr als die wohl wandlungsfähigste Plattform unter den Münchner Poetry-Slam-Aufführungsorten erweist: Wo sich sonst ein eher älteres Publikum dem kleinen und feinen Genre Lyrik widmet, geht es einmal im Monat richtig rund. Dabei steht das seit 2009 existierende Format "Poetry in Motion" nicht im Zeichen des Wettbewerbs und lobt keinen Sieger aus. Stattdessen bietet es drei oder vier Slam-Dichtern die Möglichkeit, sich und ihre Texte zu präsentieren. An diesem Abend trägt neben Soré Akbaje auch Kaleb Erdmann vor. Der Münchner, der in Frankfurt lebt, fragt provokativ: "Wieviel Mal Bus verpassen sind ein Mal Ebola?". Dann philosophiert er flink und sarkastisch über das "Aufwiegen und miteinander Vergleichen von menschlichem Leid".

Wer regelmäßiger Besucher von Slam-Veranstaltungen ist, sollte sich allerdings nicht wundern, wenn sich sowohl Texte als auch Slammer gelegentlich wiederholen. Natürlich liegt das zum einen an den Dichtern selbst, die eifrig durch die Republik reisen, um auf den kreativen Plattformen zu performen. Zum anderen aber auch an umtriebigen Veranstaltern wie Ko Bylanzky: Der bespielt nicht nur das Lyrik-Kabinett und das Substanz mit Poetry Slams, sondern moderiert auch den U-20-Slam in der Schauburg oder den Isar-Slam im Ampere. So verdichtet sich alles zu einer großen Bühne.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: