SZ-Serie: Slam drüber (6):Schlitteratur

Lesezeit: 1 min

Bei der Rationalversammlung tagen die Minister für Wortsport

Von Bernhard Blöchl

Der Vorhang geht auf, die Perücke sitzt. Heiner Lange setzt an zum Manifest. Am Ende der irren Selbstreflexion über Sinn, Unsinn und Sein der Veranstaltungsreihe im Import Export ballert er einen Fragenkanon heraus, der sich dem Wesenskern der Lesebühne nähern soll: "Möchte die Rationalversammlung Theater sein? Literatur? Schlitteratur? Teevater? Ateeist? Kaffeenstaub? Milchgasse? Misthaufen? Schnilchmitte? Realitätsverweigerung?" Aha, soso, darum geht's hier also.

Das Hirn glüht, schon zu Beginn. Nicht nur bei den 150 jungen Zuhörern, die zur Show zum Sechsjährigen gekommen sind, auch beim Vorsitzenden der Rationalversammlung. Lange hat die Perücke gegen einen leuchtenden Hirn-Hut getauscht, das passt prima. Die Gastgeber, ein festes Ensemble aus Stammlesern und Gründungsmitgliedern, agieren mit Hirn, Herz und Spaß am Wortsport. Beispiele? Gibt es inflationär. Die Kollegen werden als "Bundespräservativ" vorgestellt oder als "Minister für Vielleichtigkeit"; es fallen Buchstabenkreationen wie "Valentindertag", und das Publikum wird in die Parteien "Ich", "Über", "Nehme", "Ver" und "Antwortung" eingeteilt.

Die Mischung der einmal im Monat, stets am zweiten Dienstag, über die Bühne fegenden Subkultur-Revue ist kurios. Ein bisschen Comedy und Kabarett, ein bisschen Konzert und Party, ganz viel Poesie, Shortstorys und Texttheater. Die große Stärke der tollkühnen, weil herrlich unangepassten Rationalversammlung sind die Protagonisten, erfahrene Könner allesamt. Neben Heiner Lange treten auf: der bairisch sozialisierte Slam-Meister, Kabarettist und Moderator Bumillo, die Autorin und Bühnenpoetin Elena Anais, der Sprachakrobat Philipp Scharrenberg sowie der famose Singer-Songwriter Angela Aux nebst DJ Soulsepp.

Zwischen Bierkästen am Plattenpult und biertrinkenden Zuhörern auf den Stühlen erteilen sich die Minister reihum das Wort. Bei der Geburtstags-Show am Valentinstag philosophiert Bumillo vergnüglich und kritisch über Karriere und Anerkennung. "Erfolg ist eher so für die anderen", sagt er. "Es heißt ja auch Erfolg und glückl ich." Wer derart verspielte Texte auf die Bühne bringt, darf sich über den Erfolg der Rationalversammlung nicht wundern.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: