SZ-Serie: Der Weg zum Buch (4):Alles, was Recht ist

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Ein unterhaltsames Gespräch über Lizenzen bei dtv

Von Yvonne Poppek, München

Die Länge der Papierrolle schätzt Alexander Klatt aus der Lizenzabteilung von Random House Audio auf etwa drei Meter. Darauf gedruckt ist eine enge Tabelle mit Namen, Sinnbild für ein Mammutprojekt: Mit allen Personen musste in kurzer Zeit gesprochen werden, denn sie halten die Rechte an den 420 Gedichten, die der Hörverlag unter dem Buchtitel "Lyrikstimmen" veröffentlicht hat. 999 Einzelrechte seien dies an Text, Vorgetragenem oder auch am Bild, sagt Klatt. Bei der Recherche fühle man sich ein wenig wie Indiana Jones, "nur ohne Hut". Das klingt abenteuerlich, genauso wie der Titel der Veranstaltung, mit der der Abend im Konferenzraum von dtv anlässlich der "Woche der Verlage" überschrieben ist: "Die wilde Welt der Lizenzen".

Zugegeben: Der Titel sollte das Thema attraktiv machen. Lizenzen, das klinge doch zunächst dröge, sagt dtv-Verlegerin Claudia Baumhöver. Allerdings ließen sich Geschichten erzählen, um diese Welt zu erschließen, in der es immerhin um das "bedeutendste Recht in der Literatur" gehe: das Urheberrecht, also um den Schutz eines schöpferischen Werks und dessen Autors. Anlass genug für die Verlegerin, ein wenig pathetisch zu werden und - wenn auch nur mit Wasser - auf das Urheberrecht anzustoßen: "Möge es ewig halten."

Wie sehr sich die Kollegen in der Rechteabteilung ebenfalls diesem Urheberrecht verbunden fühlen, lässt sich für das Publikum durchaus nachvollziehen. Andrea Seibert und Constanze Chory von dtv und Elisabeth Wiedemann von Piper sprudeln ebenso wie Klatt vor Anekdoten und zeigen, dass die Arbeit mit den Lizenzen weniger eine Paragrafen-Angelegenheit ist - keiner von ihnen ist Jurist - als ein sehr menschliches Thema.

Da geht es beispielsweise um die Anfrage eines Feinkostladens, ob er Gedichte von Mascha Kaléko auf sein Einpackpapier drucken dürfe - die Erben von Kaléko lehnten dies ab. Oder ob die Gemeinde Frontenhausen einen Verkehrskreisel nach Franz Eberhofer benennen dürfe, einem der Protagonisten aus Rita Falks Erfolgskrimis - da lagen die Rechte beim Filmverleih, im Buch gibt es den Kreisel nicht. Oder ob man einen Automaten aufstellen dürfe, aus dem man statt Kaugummis Kugeln mit eingeschlossenen Gedichten ziehen kann. dtv erteilte die Erlaubnis, ob es den Automaten gebe, sei aber nicht übermittelt, erzählt Chory.

Schließlich geht es auch um die Covergestaltung: Darf etwa in Russland die Übersetzung von Walter Moers Fantasy-Roman "Rumo" einen Alien und eine Art Wolpertinger zeigen - statt der Illustration des Autors? Beim Münchner Publikum wäre der Covervorschlag jedenfalls kein Erfolg: Gelächter folgt auf die Präsentation des Bildes. Dennoch: Piper habe die Erlaubnis auf eine etwas modifizierte Version gegeben, sagt Wiedemann. Das Argument der russischen Seite war zu schlagkräftig: In Russland hielte man eine Ausgabe mit dem Cover von Walter Moers für ein Kinderbuch.

Abwägen, beurteilen, reden, recherchieren und immer wieder die Rechte der Urheber hüten - so skizzieren die vier Referenten ihren Alltag. Wie ein Verlag an die Lizenz für ein Buch kommt, steht diesmal auf einem anderen Blatt Papier. Der Abend hat eher die Wirkung eines Buches: informieren - und unterhalten. Und so ist es amüsant, von Klatt erzählt zu bekommen, wie der Verlag für die "Lyrikstimmen" die Aufnahme einer Lesung von Friedrich Achleitner an der Uni Wien ausfindig machte. Gepresst auf eine Papp-Platte mit Wachsbeschichtung. Zweimal könne man sie abspielen, dann sei sie für immer zerstört. Das klingt tatsächlich ein bisschen wie bei Indiana Jones.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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