Symphonieorchester:Er bleibt

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Mariss Jansons verlängert seinen Vertrag als Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks

Von Christian Krügel und Egbert Tholl, München

Seit Wochen blickt die Musikwelt gespannt nach Berlin. Am Montag werden die Philharmoniker dort abstimmen, wer 2018 Nachfolger ihres Chefs Simon Rattle wird. Als einer der Kandidaten wurde dabei stets Mariss Jansons, 72, genannt, derzeit Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Drei Tage vor der Wahl gelang dem Letten und dem BR nun ein Coup, der im Kern keine Überraschung ist. Doch die Sensation ist der Zeitpunkt: Jansons wird seinen Vertrag in München um drei Jahre bis 2021 verlängern. Das kommt einer Absage an die Berliner gleich - und ist zugleich ein starkes Signal an München und die bayerische Politik: Jansons, der seit Jahren für einen weiteren Konzertsaal in München kämpft, wird Seehofer und Staatsregierung nicht aus der Pflicht lassen.

Der 72-Jährige Lette leitet seit 2003 die BR-Symphoniker. Mit ihm sind sie an der Weltspitze der Orchestermusik, durch zahlreiche Tourneen auch im Fokus der internationalen Musikszene. Aus dem Orchester heraus gab es deshalb schon länger den Wunsch, dass Jansons über sein Vertragsende 2018 hinaus in München bleibe. Am Mittwoch stimmten die Musiker darüber ab, Jansons wurde dabei mit überwältigender Mehrheit bestätigt. Er selbst hatte seine Zukunft zuletzt offen gelassen, aber nach der Aufgabe seiner Chefposition beim Concertgebouw Orchestra Amsterdam in diesem Frühjahr auch durchblicken lassen, dass er Lust auf neue Projekte und zugleich mehr Ruhe habe.

Jetzt haben Jansons und die BR-Musiker schneller als erwartet die Zukunftsfragen geklärt - noch ehe die Berliner Philharmoniker ihn sich zum Chef hätten küren können. Pikanterweise war Jansons am Freitagvormittag gerade in Proben mit dem Berliner Orchester, das er am Samstag und Sonntag dirigieren wird, als der BR seine Vertragsverlängerung bekannt gab. "Die musikalische Professionalität und menschliche Qualität" des Orchesters "suchen ihresgleichen", ließ Jansons mitteilen. "Dies nicht nur zu nutzen, sondern weiter zu fördern und dem Publikum in München, Bayern und in der ganzen Welt zu präsentieren, ist mir eine Herzensangelegenheit", so der Dirigent. BR-Intendant Ulrich Wilhelm nennt den 72-Jährigen eine "einzigartige Künstlerpersönlichkeit" und verweist auch auf den wirtschaftlichen Erfolg: "Unter seiner künstlerischen Leitung hat sich die Zahl der Abonnenten fast verdreifacht." Und Orchestermanager Nikolaus Pont jubelt: "Wir freuen uns auf die Fortsetzung einer großartigen künstlerischen Partnerschaft." Tatsächlich befindet sich Jansons gerade auf dem Zenit seiner Karriere, was Renommee, die Entwicklung seiner Persönlichkeit und die Kraft seiner Interpretationen betrifft. Er drückt dem Orchester seinen Stempel auf und will gleichzeitig, dass nur die besten Dirigenten mit diesem arbeiten. Diese müssen gar nicht einmal seinem persönlichen Geschmack entsprechen. Sie müssen einfach gut sein. Darin übrigens ähnelt er seinem Kollegen Rattle.

Auffällig ist, dass in den Jubel-Mitteilungen des BR keiner erwähnt, dass durchaus auch die Entwicklung rund um das Herzensprojekt von Jansons seine Entscheidung etwas befördert haben könnte. Die Idee eines weiteren Konzertsaals für München schien im Februar am Ende zu sein. Nach den Ereignissen der vergangenen Tage ist aber wahrscheinlicher denn je, dass das Projekt doch noch verwirklicht wird. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte am Donnerstag Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mitgeteilt, dass die Stadt nicht mehr die Idee einer "Zwillingslösung" am Gasteig weiter verfolgen werde. Die hätte vorgesehen, dass sich Münchner Philharmoniker und BR-Symphonieorchester künftig eine runderneuerte Philharmonie und den Herkulessaal als Spielstätte gleichberechtigt teilen sollten - für Mariss Jansons eine schreckliche Vorstellung und ein schwerer kulturpolitischer Fehler, wie er mehrmals betonte. Vor allem nahm er Seehofer und Kultusminister Ludwig Spaenle übel, dass sie nicht zu ihrem Versprechen für einen zusätzlichen, neuen Saal standen. Jansons fühlte sich getäuscht und gedemütigt, kündigte aber schon damals an, weiterkämpfen zu wollen - nicht für das eigene Prestige, sondern für die Musikstadt München, wie er stets betonte.

Mariss Jansons bei einer öffentlichen Generalprobe für Studenten. (Foto: Stephan Rumpf)

Der politische Weg zum neuen Konzertsaal bleibt aber verschlungen. Denn einerseits erneuerte die Staatsregierung am Donnerstag nach der Absage Reiters prompt ihr Versprechen: "In jedem Fall gilt die Aussage aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, wonach in München ein neuer Konzertsaal realisiert werden soll." Andererseits scheuen Seehofer und sein Minister ein klares Wort, dass das Musikhaus auch wirklich gebaut und vom Freistaat maßgeblich finanziert wird. Selbst zur Absage an die "Zwillingslösung" konnten sie sich nicht durchringen, OB Reiter musste erst ein Machtwort sprechen.

Dahinter steckt wohl eine dreifache Angst. Zum einen fürchten die CSU-Granden immer noch den Widerstand gegen das Münchner Millionenprojekt in der CSU-Landtagsfraktion. Zum anderen wollen sie aber auch nicht mehr von der internationalen Musikszene verbal so verdroschen werden, wie das in den vergangenen Wochen wegen des Gasteig-Plans geschah. Und zum dritten wollen sie nicht in eine kleinliche Münchner Standortdiskussion hineingezogen werden, an deren Ende womöglich sogar ein Bürgerentscheid stehen könnte. Deshalb hatte Minister Spaenle zwar den Olympiapark als neuen Standort ins Gespräch gebracht. Statt aber jetzt dafür forsch zu kämpfen, setzt er eine Arbeitsgruppe zur Prüfung an - und hofft wohl darauf, dass "aus der Mitte der Bürgerschaft", wie er das nennt, die Initiative kommt - sei es in Form von Spendenzusagen oder detaillierteren Planungen. "Schritt für Schritt" soll passieren, was nicht nach schneller Lösung klingt. Aber Mariss Jansons wird Seehofer, Spaenle und deren Nachfolger jetzt sechs Jahre lang vor sich hertreiben - drei Jahre länger als sich das mancher in der Staatsregierung gewünscht haben mag.

© SZ vom 09.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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