Sydney Pollack zum 70.:Jenseits von Amerika

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Sein schönster Film? Vielleicht "Die drei Tage des Condors", "Jeremiah Johnson", "Tootsie"? Pollack konnte immer kommerziell sein, ohne sich dabei zu verkaufen.

Von Susan Vahabzadeh

Einer der schönsten Filme, die Sydney Pollack je gemacht hat, würde wieder gut passen in unsere Zeit - "Die drei Tage des Condors": Der CIA-Bücherwurm Robert Redford ist aus Versehen auf ein Komplott gestoßen beim Kriminalromaneauswerten, und an einem kalten, regnerischen Wintermorgen kommt also Max von Sydow in die Bücherwurmabteilung in New York und bringt alle um. Nur Redford nicht, der diesmal dran war mit Lunchholen und entwischt ist durch die verbotene Hintertür. Ihm dämmert, dass der Mord an den Kollegen ein hausgemachtes Verbrechen ist. Er muss sich also durchschlagen in der eisigen Stadt, manchmal hört man die Weihnachtslieder in den Kaufhäusern, aber für ihn gibt es keinen sicheren Ort . . .

Robert Redford und Faye Dunaway in "Die drei Tage des Condors" (Foto: Foto: dpa)

Es ging um Öl, sagt er am Ende, entgeistert, als er herausgefunden hat, was passiert ist - ein Planspiel der CIA. 1973 war das, "Die drei Tage des Condors" ist ein Ölkrisenkrimi, aber eben auch Dokument einer Zeit, als Aufbruchstimmung herrschte, als Widerstand in der Luft lag, Misstrauen gegenüber dem Staat angezeigt schien. Kaum jemand hat so schön, so spannend davon erzählen können wie der Filmemacher Sydney Pollack.

Ausflug in die Klamotte

Was bei Pollacks Werk der schönste Film ist, ist natürlich völlig subjektiv, wenn man zehn Leute fragt bekommt man zehn verschiedene Antworten. Das Tanzmarathondrama "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss", 1970 neunfach für den Oscar nominiert, Redfords stille Einsiedelei in "Jeremiah Johnson", "Tootsie", Pollacks Ausflug in die Klamotte . . .

Diesem Film hat er auch durch seinen eigenen Auftritt seinen Stempel aufgedrückt, er gibt Dustin Hoffmans ständig genervten Agenten, der sich, von Tootsie im Russian Tearoom heimgesucht, schwer belästigt fühlt von dieser merkwürdigen Frau.

Schicksalhafte Begegnung

Pollack, am 1. Juli 1934 in Lafayette, Indiana geboren, hat als Schauspieler angefangen - und er hat sich vielleicht deswegen als so großartiger Regisseur für seine Hauptdarsteller erwiesen. Nach den Anfängen im Fernsehen ergatterte er 1962 seine erste Kinorolle, in "Hinter feindlichen Linien". Es war noch ein weiterer Kinoneuling dabei - Robert Redford. Eine schicksalhafte Begegnung, die sieben Filme, die sie dann zusammen drehten, als Pollack endlich selbst Kino machen durfte, sind für beide die größten und schönsten Erfolge ihrer Karrieren geworden.

"So wie wir waren" wurde 1973 zu einem Kassenschlager, ein gutes Beispiel für Pollacks größte Stärke - er konnte immer kommerziell sein, ohne sich dabei zu verkaufen, konnte all seine Ideale in Filme packen und einen dabei mitreißen. "So wie wir waren" war sein bitterer Kommentar zur McCarthy-Ära, "Der elektrische Reiter" seine Abrechnung mit Konsumrausch und Medienhype, und nebenbei fast eine so schöne Hommage an die Schönheit des naturbelassenen Amerika wie "Jeremiah Johnson".

Pollack hat nebenher immer anderer Leute Arbeit produziert, dabei Regisseuren wie Steven Soderbergh und Ang Lee unter die Arme gegriffen. Und er hat nie so ganz lassen können von der Schauspielerei - neben den Auftritten bei Kubrick, als zwielichtiger Gastgeber in "Eyes Wide Shut", und als abtrünniger Ehemann bei Woody Allen in "Husbands and Wives" geistert er gelegentlich durchs Fernsehen: Als Vater von Will in der Schwulen-Sitcom "Will & Grace", eine sehr hübsche Fortführung der Allen-Rolle.

Immer im Recht

Vor allem in den letzten Jahren merkt man, dass der Regisseur Pollack, dreimal für den Oscar nominiert und mit "Jenseits von Africa" endlich siegreich, in dem Stadium angelangt ist, wo er macht, was er will und dabei recht behält - "Havanna" galt als kubanischer Casablanca-Abklatsch, als er den Film gedreht hat vor vierzehn Jahren, und irgendwie hat er doch bis heute seine Fans.

Oder sein "Sabrina"-Remake von 1995 - natürlich braucht Wilder keine Überarbeitung; den Film anzuschauen, ist aber dennoch ein Vergnügen - schon deswegen, weil es Pollack tatsächlich gelungen ist, aus Harrison Ford viel mehr zu machen als einen Bogart-Abklatsch. "Begegnung des Schicksals" hat er zuletzt fertiggestellt, eine Trauerarbeit - Ford und Kristin Scott Thomas sind die Hinterbliebenen eines Flugzeugsabsturzes - wie Pollack selbst, dessen Sohn so starb.

Heute wird Sydney Pollack siebzig, aber er dreht schon wieder, "The Interpreter" mit Nicole Kidman. Und wenn wir Glück haben, macht er noch eine Weile die Filme, die er will - wir werden sie schon lieben lernen.

© SZ vom 1.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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