Subventionen:Wer drin ist, ist drin

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In München wird die Theater- und Tanzszene besser gefördert als anderswo

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Der eine ist drin, der andere ist draußen. Drin ist mit jährlichen 90 000 Euro endlich wieder der international akklamierte Tänzer und Choreograf Richard Siegal. Drin ist abermals Anna Konjetzky, Münchens überregional wohl am besten vernetzte Choreografin. Sie bekommt 70 000 Euro. Draußen ist nach 25 Jahren ununterbrochener städtischer Förderung Micha Purucker, Choreograf und Tänzer. Er ist der wichtigste und klügste Exponent der 1987 gegründeten Tanztendenz, des Zusammenschlusses der Münchner freien Tanzszene mit feinsten Trainingsräumen in der Lindwurmstraße und Probenmöglichkeit und Bühne im Schwere Reiter.

Purucker also war bisher eine Institution mit Förder-Abo. Es war höchste Zeit, ein Zeichen zu setzen, wollte man das nobelste Ziel der begehrten Optionsförderung, die freies Schaffen für einen Zeitraum von drei Jahren gewährt, nicht ad absurdum führen, indem man sie als vorgezogene Altersversorgung begreift. Andere Mitglieder der Tanztendenz sollten spätestens jetzt den künstlerischen Bankrott eingestehen und die Konsequenzen daraus ziehen. Mit welchem Recht dieser eingetragene Verein eifersüchtig seine Pfründe verteidigt, fragt man sich sowieso schon die längste Zeit.

Richard Siegal hat den Faust und auch den Münchner Tanzpreis. (Foto: B. Thissen)

Richard Siegal war, nachdem er in den Jahren 2010, 2011 und 2012 Optionsförderung bezogen hatte, bei der letzten Vergabe aus unerfindlichen Gründen nicht mehr bedacht worden. Die Jury-Entscheidungen nämlich bleiben unter Verschluss. Der amerikanische Choreograf, der München als kreativen Ort besonders schätzt, hatte bisher zwar als Künstler in Residenz ein Standbein in der Muffathalle und ein zweites beim Bayerischen Staatsballett. Aber letzteres bricht mit dem Ballettdirektorenwechsel im September 2016 wahrscheinlich weg. Dass der Russe Igor Zelensky das Rennen machte und nicht er selbst, hat Siegal einen schweren Schlag versetzt. Die Optionsförderung verschafft ihm jetzt die Basis, um entspannt arbeiten zu können.

Denn dazu ist das Münchner Fördermodell der freien Tanz- und Theaterszene ja da. Es ist ziemlich komplex, um nicht zu sagen kompliziert. Aber es ist effektiv gegliedert, und seine Ziele sind vernünftig. Es steht ein Gesamtetat von 1,86 Millionen Euro zur Verfügung, der, siehe Kasten, an fünf Sparten vergeben wird. Klingt gut, ist aber im Vergleich mit dem eines städtischen Theaterbetriebs wie den Münchner Kammerspielen mit 33,6 Millionen Euro ein kleiner Klacks. Ohne dieses Geld könnte die freie Szene freilich nicht überleben. Sie bekommt zusätzlich sogenannte geldwerte Mittel in Gestalt von Spielstätten und Probenräumen.

Die Glücklichen, die heuer von den jeweiligen Fachjurys, die sich aus Stadträten und Stadträtinnen wie auch lokalen und überregionalen Kennern der Szene zusammensetzen, den Zuschlag bekamen, können sich auf bessere Konditionen, das heißt mehr Geld und oder bessere (Wieder-)Aufführungsbedingungen als bisher freuen. Schließlich ist im teuren München das Leben noch teurer geworden. So wird die Höchstgrenze bei der Options- und der Einzelprojektförderung von bisher 80 000 auf 100 000 Euro angehoben, die Debütförderung um 6000 auf 18 000 Euro, und bei den Stipendien liegt der Höchstbetrag nunmehr bei 8000 statt bisher 4000 Euro im Jahr. Des weiteren sind die förderwürdigen Aufführungen nicht mehr auf drei begrenzt, deren Anzahl wird nun individuell festgelegt. Darüber hinaus trennt man bei der Kalkulation nicht mehr nach Produktions- und Aufführungskosten.

Absurd erscheint, dass in Zeiten eines neuerlichen Spardiktats - das Kulturreferat musste prozentual genauso einsparen wie alle anderen Ressorts -, dennoch mehr Geld für einige Förderposten ausgegeben wird als noch im Vorjahr. Das ist so, weil die Mühlen einer Stadtverwaltung, langsam mahlen und etliche Positionen festgeschrieben sind. Der Geldhahn wird also in antizyklischen Wellen auf- oder zugedreht. Das heißt: In finanziell klammen Zeiten profitiert das Amt erst einmal bis zu einem gewissen Grad von einstmals vollen Kassen, während es längerfristig Sparvorgaben folgen muss, auch wenn schon wieder genug Geld da ist.

Es ist jetzt 21 Jahre her, dass das Fördermodell in München grundlegend erneuert wurde. Seitdem werden die Freien gezielt gefördert und nicht mehr nur mit basisdemokratisch verteilten Spritzerchen aus der Gießkanne bedacht. 1995 also schaffte man neue Strukturen, die von Kulturreferent Hans-Georg Küppers nun maßgeblich verbessert wurden. Jetzt wünscht man sich nur mehr künstlerischen Auftrieb in der Szene selbst. Ausruhen können sich die Kunstschaffenden, wie Marc Gegenfurtner vom Kulturreferat Geschlechter-neutral die Nutznießer dieses deutschland- ja europaweit privilegierten Systems nennt, auf ihren eingebildeten Lorbeeren, wenn sie tot sind.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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