"Stroke":Pompöse Kunst

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Zum sechsten Mal läuft auf der Münchner Praterinsel die "Stroke", eine Kunstmesse, die vor allem junges Publikum ansprechen will. Gezeigt werden nicht mehr nur Street- und Urban-Art, sondern auch Arbeiten aus ganz unterschiedlichen Disziplinen

Von Jürgen Moises

Kunst ohne Berührungsängste, ohne Galeristen, die einen schief anschauen, wenn man falsch gekleidet ist. Kunst als Ausdruck eines urbanen Lebensgefühls. Kunst, die bezahlbar ist und die vor allem: Spaß macht. Mit diesem "hedonistischen" Konzept sind die Stroke-Gründer Marco und Raiko Schwalbe vor sechs Jahren angetreten, um, wie sie es selber formulieren: "dem etwas angestaubten Image der Kunstwelt" und dem Kunstmarkt als "Spielwiese der Superreichen" etwas entgegen zu setzen. Ein Konzept, das, geht man alleine von den Besucherzahlen der letzten Jahre aus, gut funktioniert.

Über 100 000 Menschen haben die Stroke-Messe seit ihrer Gründung im Jahr 2009 besucht. Auch in diesem Jahr rechnen die Veranstalter mit über 20 000 Kunstbegeisterten auf der Münchner Praterinsel, wo die Stroke inzwischen ihr festes Zuhause hat. Ob das gelingt, lässt sich nach dem an Besuchern noch relativ überschaubaren ersten Öffnungstagen noch nicht ganz sagen. Aber an diesem Wochenende dürften die Zahlen noch einmal anziehen. Noch bis Sonntagabend sind in den Hallen auf der Praterinsel, auf dem großen Innenhof und dem versteckten Hinterhof noch tausende Werke von rund 45 Ausstellern zu sehen.

Auf Augenhöhe mit der Kunst auf der Münchner Praterinsel. (Foto: Robert Haas)

Die Mehrzahl der gezeigten Arbeiten bewegt sich noch immer in den Bereichen Street Art, Urban Art oder Graffiti. Aber die Grenzen werden immer mehr fließend. Deswegen reden auch Marco und Raiko Schwalbe selbst inzwischen nur von " zeitgenössischer Kunst". Dazu gehören Gemälde, Grafiken, Collagen und Objekte in den unterschiedlichsten Stilen. Surrealistisch, expressionistisch, realistisch, und auch in den verwendeten Materialen bunt gemischt. Öl, Acryl oder Sprühlack, Objekte aus Papier, Plastik, Holz oder Metal. Viel Illustratives ist dabei, Motive aus der Pop-, Comic- und Spielewelt, Gutes, weniger Gutes, bewusst oder unabsichtlich Trashiges oder auch Kitsch. "Live-Painting-Aktionen" auf dem Hinterhof gehören ebenfalls zum Programm. Zu den "Skurrilitäten" zählen dabei sicherlich die Gemälde des "King of the Bling" Harald Glööckler. Jemand, der wie der bekannte Designer Glööckler "pompööse" Mode macht und "pompööse" Musik, der macht natürlich auch "pompööse" Bilder: quietschbunt und expressiv, und einem Privatsender die Anreise wert. Präsentiert werden Glööcklers Bilder von der Münchner Galerie Cornelia Walter. Auch die meisten anderen Künstler werden von Galerien vertreten. Die meisten stammen aus Deutschland, andere aus der Schweiz, Holland, England, Italien und Spanien. Aus München sind neben Cornelia Walter unter anderen die Flash-Galerie, die Muca-Galerie, die Galerie Störpunkt und die Micheko-Galerie vertreten.

Die auf japanische Kunst spezialisierte Micheko-Galerie ist in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. Die Bewerbung für die Messe sei, so deren Leiter Michele Vitucci, im Grunde nur ein rein formeller beziehungsweise finanzieller Aufwand gewesen. Wie hoch die nach Ort und Größe variierenden Standgebühren in seinem Fall waren, hat Michele Vitucci nicht im Kopf. Aber es sei auf jeden Fall "weniger als bei anderen Messen". Ein Umstand, mit dem auch die Schwalbe-Brüder seit Jahren werben. Ob sich für Vitucci die Teilnahme am Ende rechnet, wird sich zeigen. Die von Mangas inspirierten Gemälde und Objekte von Three oder John Hathway, die er und seine Frau Keiko Tanaka zeigen, fügen sich auf jeden Fall gut ins Programm. Auch Andrea Peipe, Brigitte Yoshiko Pruchnow und Michaela Wühr stammen aus München. Die drei Künstlerinnen sind aber ohne Galerie hier, sondern haben sich stattdessen als Künstlerverbund "Triptych" zusammen getan, um gemeinsam die Teilnahmegebühren zu stemmen. Ähnlich ist es bei Bavarian Waste Mangement aus München oder Doppeldenk aus Leipzig.

Star-Designer Harald Glööckler saß auf einem goldenen Thron und beantwortete Fragen. (Foto: Robert Haas)

Was man vermisst, das sind stärkere gesellschaftskritsche Ansätze. Zwar lässt etwa Remo Lienhard auf einem Gemälde Menschen um eine riesige Fernbedienung tanzen. An anderer Stelle sieht man eine Art Ikea-Bauplan für einen Revolver. Aber die Fernbedienung als Fetisch- und Kultobjekt: das wirkt fast schon altmodisch. Um das wahre Kultobjekt des 21. Jahrhunderts geht es direkt gegenüber auf Gemälden von Jakob Tory Bardou. Er zeigt Menschen verschiedenen Alters mit leuchtenden weißen Rechtecken in der Hand: Platzhaltern für Handys. Ob das kritsch intendiert ist, wird nicht klar. Mit den entsprechenden Markennamen dürfte das Ganze aber auch als Werbung recht gut funktionieren.

Tatsächlich findet man auf der Messe auch noch designte Handy-Rücken oder Rucksäcke, es gibt Postkarten, Bücher und T-Shirts zu erwerben. Selbst direkt auf dem Körper kann man die Kunst in Form von Tatoos mitnehmen. Urban Art als Lebenskunst, als kommerzieller Lifestyle. Was einen vielleicht nur deswegen ein bisschen stört, weil die Veranstalter die Stroke-Messe in Interviews zur Anti-Kommerz-Messe aufblasen. Was gar nicht nötig ist. Denn die Stroke-Messe hat auch so ihre Qualitäten. Dazu gehören das wieder mal auffallend junge Publikum und der rege Austausch mit den Künstlern. Dazu gehören persönliche Entdeckungen, die man wie immer machen kann. Darunter etwa die Karton-Collagen von Evon, Acrly-Lack-Bilder von Nils Matthies, Jalousie-Lamellen-Skulpturen von Caspar Hüter oder das "Kwer - Magazin der Abstraktion" von Dave Großmann und Hartmut Friedrich. Zehn Ausgaben haben die beiden Designer von "Kwer" geplant. Jede Ausgabe beschäftigt sich in Bild und Text mit den Zahlen 1,2,3 bis rauf zu 9 und 0. Das klingt abstrakt, verkopft, verrückt, ist in der Ausführung aber ungeheuer bestechend.

Hunderte Künstler präsentieren auf der sechsten Ausgabe der Stroke-Messe ihre Werke, viele davon persönlich. (Foto: Robert Haas)

Stroke 2015, noch Samstag, 12 bis 22 Uhr und Sonntag, 12 bis 20 Uhr geöffnet, Praterinsel 3-4

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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