Stadtteilkultur:Volle Kraft für das Viertel

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Ein Beispiel für Zusammenhalt in der Stadt: Die Neuhauser Musiknacht

Von Dirk Wagner, München

"Die Stadt gehört den Bürgern - und damit auch der öffentliche Raum", sagt Hagen Kling vom Kulturreferat der Landeshauptstadt. Dort ist er noch bis Ende November für die Stadtteilkultur zuständig, die es Menschen ermöglicht, in den öffentlichen Raum hinein zu wirken. Sei es, dass ansässige Künstler ihre Werkstätten in den Hinterhöfen öffnen, um die Kunst in einem Stadtviertel sichtbar zu machen, oder sei es, dass Kunstschaffende in den 38 Häusern der Stadtteilkultur - wie etwa der Giesinger Bahnhof oder die Pasinger Fabrik - arbeiten oder ihre Arbeiten präsentieren. Kling störte es, dass sich die sogenannte Hochkultur früher nur allzu oft von der Stadtteilkultur distanziert hatte. Umso glücklicher ist er darüber, dass er in seiner Zeit beim Kulturreferat eine Vernetzung der verschiedenen Künstler, Theatermacher und Musiker fördern konnte.

Vor allem der öffentliche Raum war für Kling ein viel zu selten genutztes Terrain, das mit einem gesperrten Altstadtring für die 850-Jahr-Feierlichkeiten Münchens oder dem Streetlife-Festival auf einer autofreien Leopoldstraße bis dato ungeahnte Lebensqualitäten in der Stadt aufzeigte. Aber auch Zwischennutzungen wie das Puerto Giesing in einem ehemaligen Kaufhaus zählt Kling zu den Höhepunkten seines Schaffens, das stets darum bemüht ist, Menschen über die Kultur zusammen zu führen und zu vernetzen. "Es ist doch toll, wenn du aus dem Haus gehst, und direkt vor deiner Tür passiert was", schwärmt Kling und lässt sich seine Begeisterung auch nicht von allzu ruhebedürftigen Nachbarn vermiesen: "Als wir diesen Sommer die Giesinger Kulturdult veranstalteten, klopften mir alle anerkennend auf die Schulter. Nur ein einziger Bewohner beschwerte sich, dass dort überhaupt was stattfand, weil ihm das zu laut sei. Und das trotz des ganzen Verkehrslärms dort".

"Meistens kommen solche Beschwerden aus Eigentumswohnungen", sagt Ingeborg Staudenmeyer, die Vorsitzende des Seniorenbeirates in München, die zuvor 28 Jahre lang die Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen war. Als solche ärgerte sie sich vor Jahren, weil in der Langen Nacht der Musik gerade mal zwei Neuhauser Spielstätten beteiligt waren. "Dabei haben wir doch hier so viele Wirte", betonte Staudenmeyer damals und überzeugte diese dann davon, das wahre Potenzial von Neuhausen mit einer Musiknacht zu beweisen. "Wie so ein Hausierer bin ich von einem Wirt zum anderen gegangen und habe Überzeugungsarbeit geleistet", erinnert sich Staudenmeyer, die oft genug in zähen Verhandlungen ihr Vorhaben hätte aufgeben wollen. Schließlich aber stellte sie zusammen mit der Veranstalterin Niko Strnad ein Festival auf die Beine, mit dem sich die Neuhauser Bürger schnell identifizierten. "Letztes Jahr war es doch so warm. Die Menschen gingen scharenweise über die Straße. Sie redeten miteinander, wo sie ein besonders tolles Programm erlebt hätten", sagt Staudenmeyer, die überzeugt davon ist, dass Kultur einen Stadtteil nicht nur prägt, sondern regelrecht zusammenhält. Oder, um es mit Hagen Kling zu sagen: "Die Stadtteilkultur schafft eine Identität der Bürger mit der Stadt." Solche Identität fördert ein Verantwortungsbewusstsein auch für die Nachbarn, weswegen gelegentliche laute Musik auf Dauer für mehr Ruhe im Quartier sorgt als die Beschwerden allzu lärmempfindlicher Menschen.

An diesem Samstag darf es gerne wieder etwas lauter zugehen in den Neuhauser Clubs und Gaststätten, wo man nicht nur tolle Musiker in vielen Spielstätten erlebt, sondern auch die eine oder andere Kneipe kennenlernt. Um 19 Uhr startet das Festival auf dem Rotkreuzplatz mit dem Open-Air-Auftritt von Africa Mansa. Danach verteilen sich die Besucher auf die zahlreichen Indoor-Konzerte, die von Folk über Jazz bis Rock ein buntes Programm bieten. Statt nostalgisch in die Vergangenheit abzutauchen, reaktivieren zum Beispiel die Rejetnicks den Sixties-Rock in der Gegenwart. Entsprechend wild wird es im Ysenegger zugehen. Nicht minder verwegen bereitet Gurdan Thomas im Restaurant Ewiges Licht sein musikalisches Menü auf ausgefallenen Instrumenten wie Charango oder Helikon zu. Der Radiosender M 94,5 steuert in der Freiheizhalle mit Dobré und anderen ein kleines Indie-Fest bei. Am Schluss gibt es eben dort eine Aftershow-Party, wo Claudia Cane mit Party-Hits einheizen wird.

Neuhauser Musiknacht , Sa., 22. Okt., Eröffnungskonzert 19 Uhr, weitere Konzerte von 20 Uhr an

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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