Spielzeit-Vorschau:Laufen lernen

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Andrea Gronemeyer macht gerade noch in Mannheim Kinder- und Jugendtheater. Auch Hirtengott Pan (Aurel Bucher, links) kommt darin vor. (Foto: Christian Kleiner)

Andrea Gronemeyer, von Herbst an Intendantin der Schauburg, stellt die Projekte der ersten Saison vor. Es animiert Kinder und Jugendliche zum Mitmachen

Von Egbert Tholl

Ein besseres Argument für den Umbau der Schauburg lässt sich kaum finden. Andrea Gronemeyer, von nächster Saison an Intendantin der Schauburg, des Theaters der Jugend, lädt zur Pressekonferenz in die Studiobühne. Die ist unterm Dach, die Gäste keuchen viele Stufen hinauf, und für einen langen Moment versteht man sofort, dass das Untergeschoss, vom Foyer aus per Lift erreichbar, zur Bühne umgebaut und von der Gastronomie künftig nur noch ein Rest im Foyer übrig bleiben wird, weil man nach unten halt leichter kommt. Gronemeyer braucht drei Spielstätten; da, wo im Moment die Journalisten, die neue Leitung und Kulturreferent Hans-Georg Küppers sitzen, entsteht das "Lab": Ein Raum für partizipative Projekte aller Arten, Sparten und Formate. Auch eine Band will Josefine Rausch, Teil der Dreier-Leitung des "Lab", mit Jugendlichen gründen, um an die Zeit zu erinnern, als das Schauburg-Haus noch die Disco Blow up war und, so Rausch, "1972 hier Pink Floyd und Jimi Hendrix auftraten". Letzterer starb 1970, und bei Josefine Rausch purzeln vor lauter Aufregung und Enthusiasmus die Gedanken ein bisserl durcheinander.

Selbst Andrea Gronemeyer merkt man eine gewisse Aufregung an, nun "in der Theaterstadt München" zu arbeiten. Dabei hat sie ja ungeheure Erfahrung im Bereich Kinder- und Jugendtheater, hat viele Preise dafür erhalten und zuletzt 15 Jahre lang das Jugendtheater am Nationaltheater Mannheim geleitet, was sie im Moment immer noch tut. Von Mannheim bringt sie für ihre erste Saison zehn Inszenierungen nach München mit, auch eine Schauspielerin, Simone Oswald, und einen Schauspieler, David Benito Garcia. Dazu kommen Anne Bontemps, Helene Schmitt, Janosch Fries und der aus Bad Tölz stammende Münchner Klaus Steinbacher, und das Ensemble ist komplett.

In den 27 Jahren der Intendanz von George Podt gab es pro Saison etwa sechs oder sieben Produktionen, die alle sehr lang liefen. Das ging sehr gut auf, unter Gronemeyer aber wird es anders. In der ersten Saison werden 18 Produktionen gezeigt, auf der kleinen und der großen Bühne, in Schulen und Klassenzimmern. Dazu kommt eine umfassende Beteiligung an zwei Festivals, "Kuckuck", das "Theaterfestival für Anfänge(r)" im März, und "Think Big!", das Münchner Tanz- und Performancefestival für junges Publikum.

Die Überfülle der Arbeiten und Angebote lässt die Schauburg ein bisschen wie die Kammerspiele für junge Leute wirken, die Kammerspiele in Jetztform wohlgemerkt, was historisch insofern richtig ist, als in seinen Anfängen das Münchner Theater der Jugend eine Sparte der Kammerspiele war und bei aller Eigenständigkeit auch heute noch mit diesen verbunden ist.

Küppers betont die geplante "Vernetzung in der Stadt", die Erkundung der "Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen", also das Zugehen auf das junge Publikum. Bei einer Produktion ist das mit dem "Zugehen" eine ambivalente Sache: "Holperdiestolper" ist "Theater für alle, die schon laufen können", ab zwei Jahren und in Mannheim erprobt. Was genau man sich darunter vorstellen muss - keine Ahnung. Wie überhaupt das ganze Programm sehr vielfältig und ambitioniert wirkt, man sich jedoch als normaler Theatergänger, 30 bis 47 Jahre der Publikums-Zielgruppe entwachsen, unter vielem schwer etwas vorstellen kann. Muss man ja auch nicht. Unter Podt waren zwei Drittel der Inszenierungen für (jung gebliebene) Erwachsene genauso geeignet wie für Jugendliche; unter Gronemeyer gibt es zwei Produktionen für Jugendliche ab 14 und eine ab 15, daneben aber sehr viele Stücke für ein jüngeres Publikum. Und zwar in allen Sparten, Figurentheater, Tanztheater, Sprechtheater, darunter den Klassiker "Frühlings Erwachsen" von Frank Wedekind, eine Reihe von Uraufführungen, etwa von Krsito Šagor, oder zwei internationale Koproduktionen (aus Mannheim) mit einem indischen und einem ägyptischen Theater.

Die Schauburg wird ein anderes Haus werden. Im Keller wird es keine Live-Musik oder kleine kabarettistische Abende mehr geben. Gronemeyer glaubt an den Wandel als Lebens- und Kunstprinzip, und einen Wandel wird es geben, der für Kinder und Jugendliche sehr spannend werden kann. Denn in einem gleicht Gronemeyer ihrem Vorgänger George Podt: Sie ist der Meinung, dass Kindertheater sehr wohl Kunst sein kann, dass man Kinder ernst nehmen muss, ihnen auf Augenhöhe begegnen soll, und zwar nicht, indem man sich zu ihnen herab beuge, sondern sie zu sich heraufhebe. Und sie zum Selbermachen animiere.

Die Eröffnung ist ein Fest, das am 20. Oktober beginnt und drei Tage dauert. Vier Produktionen werden gezeigt, die Schauspiel, Musik- und Figurentheater unter einen Hut bringen. Dazu eine Schulturnhalle, eine große und eine kleine Burg.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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