Spielart:Protest durch Passivität

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"Walls of Freedom" heißt das Buch der Künstlerin Basma Hamdy, das die ägyptische Revolution dokumentiert. (Foto: Basma W. Hamdy)

Der "Art in Resistance"-Schwerpunkt hat eine starke Repolitisierung des Theaters und der Kunst zum Inhalt

Von Christiane Lutz

Es sei ein bisschen wie Weihnachten gewesen, sagt Sophie Becker, als sie Tag für Tag ihr "Spielart"-Mail-Fach öffnete und ihr Dokumente voller spannender Projekte entgegenflatterten. Knapp 800 Einsendungen waren einem "Open Call" gefolgt, einem weltweiten Aufruf. Sie ist, gemeinsam mit Tilmann Broszat und Gottfried Hattinger, verantwortlich für das Programm bei "Spielart", und besonders für den Schwerpunkt "Art in Resistance", der dieses Wochenende im Gasteig und dem Muffatwerk stattfindet. Von den Einsendungen also hat sie 57 ausgewählt: Ausstellungen, Lesungen, Performance-Projekte mit und ohne Musik, Filme.

Widerstand und Kunst, für dieses Thema hatten sich Becker und der Rest des Spielart-Teams entschieden, "weil wir eine starke Repolitisierung des Theaters festgestellt haben. Das wollten wir auf diesem Festival diskursiv begleiten." Viele der Einsender hätten sich allerdings kaum um den Ausschreibungstext gekümmert: "Das war ganz heilsam. Man merkt, dass die Probleme, von denen wir denken, dass sie auf der Welt relevant sind, nicht immer unbedingt die sind, die die Menschen tatsächlich umtreiben." Erstaunlich viele Einreichungen hätten sich mit Gewalt gegen Frauen beschäftigt. Ein Thema, das in Deutschland glücklicherweise keine solche Brisanz habe, wie in anderen Ländern.

Herauskristallisiert haben sich für "Art in Resistance" nun zwei Themenbereiche: Projekte, die sich mit der Idee der Nation auseinandersetzen. Dazu gehört natürlich auch die Flüchtlingsthematik. Das zweite Thema sei, was der einzelne Künstler tun kann, um Widerstand zu leisten. "Die Zeit der ganz großen Utopien scheint aber vorbei", sagt Becker. "Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem sich Künstler auch mit den Grenzen des Möglichen auseinandersetzen. Sich gar fragen, ob eine Form von Passivität nicht gelegentlich sinnvoller sei, die Staatsmacht zu unterlaufen. Indem man sie einfach nicht anerkennt." Das Münchner Kollektiv Cadam zum Beispiel begleitete für "Vagabonds" politische Aktivisten in Litauen und der Ukraine in ihrem Alltag. Sie wollen zeigen, dass auch ein politischer Künstler sich auf gewisse Weise anpassen muss.

Sophie Becker ist bei allen Projekten wichtig, dass der Zuschauer sofort einsteigen kann. "Die können nicht erst ein dreitägiges Seminar besuchen, um die Installationen zu verstehen". Da ein Großteil der Ausstellungen im Foyer des Gasteig stattfindet, solle sich jeder zufällig Vorbeikommende eingeladen fühlen. Deshalb besteht sie darauf, dass die Künstler vermeintlich Offensichtliches noch einmal erklären, zu groß sei die Gefahr, dass man im künstlerischen Tunnel stecke und vergesse, dass sich andere nicht tagtäglich mit dem arabischen Frühling beschäftigen. Manche Künstler fänden das didaktisch, für Sophie Becker ist das unabdingbar.

Die meisten der beteiligten Künstler haben es für das Festival nach München geschafft, mit Hilfe von Crowdfunding-Kampagnen für Flüge und komplizierte Visa-Anträge. Dass sie da sind, ist Sophie Becker wichtig, "denn am schönsten ist noch immer die persönliche Begegnung".

Art in Resistance , Freitag bis Sonntag, 30. Oktober bis, 1. November, Informationen unter www.spielart.org

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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