Skandal an der Mailänder Scala:Scheitern als Chance

Was macht ein Heldentenor, wenn er schon zu Beginn der Oper ausgebuht wird? An der Mailänder Scala floh Roberto Alagna nun von der Bühne.

RJB

Jeder Sänger will geliebt werden. Das ist ihm wichtiger als Geld, Ruhm, Sex und Macht. Aber diese Liebe muss hart erkämpft werden. Zumal manche Komponisten Fieslinge sind, die es dem Sänger bei seiner Liebessucht nicht leicht machen.

Roberto Alagna in der Rolle des Ramades in Verdis "Aida": Noch singt er, dann wird er ausgebuht und verkrümelt sich. (Foto: Foto: AFP)

Bellini schickt in den "Puritani" seinen Tenor nach fünf Minuten nicht zum hohen C, sondern gleich zum hohen Cis empor. Ein Albtraum. Und Verdi schreibt gleich zu Beginn der "Aida" eine langsame liebesschmachtende Arie mit endlos langen Bögen. Der Sänger muss zwar nur dreimal zum B. Zweimal darf es laut tönen, das dritte Mal muss es ganz leise ersterben - das schafft kaum jemand.

In Mailand hatte nun Roberto Alagna mit "Celeste Aida" zu kämpfen - und verlor: Er wurde augebuht. Was tun, wenn einem zu Beginn einer Oper per Liebesentzug jeder Mut genommen wird? Ein Sportler würde die Zähne zusammenbeißen - und durch. Zähnezusammenbeißen aber ist für Sänger nicht machbar. Also griff der durch die Buhs offenbar zutiefst verletzte Alagna zu einem gelegentlich von Operngrößen erprobten Mittel: Fahnenflucht.

Zwar nicht die feine Art, aber zumindest ein Akt von Größe: Sich nicht den Regeln des Musikbetriebs zu unterwerfen, sondern das eigene Scheitern medienwirksam zuzugeben - zumal auch ein Einspringer in Jeans sofort zu Stelle war, um den Abend zu retten.

© SZ v. 12.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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