Schnapsbar:Lyrik wirkt

Von Yvonne Poppek

Die vier Männer, die kurz nach 23 Uhr die Tür öffnen, wollen eigentlich nur Schnaps. Das sieht man sofort. Jetzt keinen billigen Fusel, sondern schon die letzte Bestände der Brennerei Stählemühle. Vorübergehend werden die Flaschen in einem Pop-up-Store im Luitpoldblock verkauft und deswegen sind die Männer hier. Doch ihr launiges Gepolter verstummt sofort. Trotz der vielen Menschen im Laden ist es fast still. Nur eine Stimme ist zu hören. John Burnsides helles Schnarren. "Do not go gentle into that good night./Rage, rage against the dying of the light", liest er gerade die letzten Zeilen von Dylan Thomas' Gedicht. Es ist Literaturfest, und der Forum:Autoren-Kurator Jan Wagner hat sich diese Schnapsbar für Dichterlesungen ausgesucht - und damit einen Ort, der nicht nur das übliche Lesepublikum anlockt. Auch die Schnapsfreunde stehen jetzt hier wie gebannt. Dylan Thomas scheint sie ohne Vorwarnung überwältigt zu haben. Insbesondere, da Michael Krüger jetzt die deutsche Übersetzung liest. Direkt und unmittelbar hat die Lyrik ihre Wirkung entfaltet, der Zauber kam hinterrücks und doch mit Ansage: "Geh nicht gelassen in die gute Nacht ..."

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