Schauspiel:Liebe, Leid und Ausweglosigkeit

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Kurzes Glück einer ewig währenden Liebe: James Newton küsst Vanessa Eckart. (Foto: Jean-Marc Turmes)

Jochen Schölch inszeniert am Metropol-Theater Andrew Bovells "Das Ende des Regens", das vor sieben Jahren schon einmal in München zu sehen war, im Cuvilliéstheater

Von Egbert Tholl

Gleich der Beginn ist ein echter Schölch-Moment: Ähnlich wie im Stücktext skizziert kommen alle Darsteller mit Schirmen und in Regenmänteln auf die Bühne. Es regnet. Aber es regnet nicht aus dem Bühnenhimmel, sondern von der Spitze der Regenschirme selbst. An deren Kuppen läuft das Wasser entlang. Das ist die Bühnenfantasie von Jochen Schölch, dem Leiter des Metropol-Theaters und seit kurzem Träger der "München leuchtet"-Medaille. Später werden noch so kleine, feine Kunststücke folgen wie eine Diderot-Ausgabe, die von innen leuchtet, oder das wundersame Verschwinden einer Frau unter einem Laken, worauf sie als jüngere Version ihrer selbst in einem Campingzelt wiederkehrt. Und dann ist da noch ein Fisch, alles bühnenpoetisches Beiwerk an einem Abend, der ganz auf die Darsteller konzentriert ist.

Der Boden ist angefüllt mit Gummigranulat, die Spielfläche umrahmt von einem schwarz glänzenden Schnürlvorhang, durch den im punktgenauen Licht von Hans-Peter Boden Erscheinungen hindurchschimmern. Mehr braucht es nicht, damit Schölch Andrew Bovells "Das Ende des Regens" in eine sanft und ungemein präzise erzählte, hochspannende Geschichte verwandelt. Über diese selbst darf man gar nicht zu viel verraten, denn Suspense und das kriminaleske Bloßlegen schlimmer Wahrheiten im Laufe der Aufführung muss für den Zuschauer ein spannendes Erlebnis bleiben. Nur so viel: Das Stück spielt in London und Australien zu verschiedenen Zeiten, die von einer Zukunft im Jahr 2039 zurück bis etwa in die Mitte des 20. Jahrhunderts reichen. Zwischen den Orten und Zeiten springen die Szenen hin und her. Ungefähr bis zur Pause kann man sich nicht ganz von dem Gedanken befreien, dass Bovell ein linear erzählendes Stück schrieb, das ihm zu brav war, worauf er es in die einzelnen Szenen zerteilte und diese durcheinander schob. Doch nach der Pause schiebt der Sog des Abends solche Gedanken beiseite. Dann ist man nicht nur von den Darstellern und der Inszenierung erfreut, dann wirkt auch die Erzählung. Bovell ist Australier, Drehbuchautor - in Deutschland würde niemand in solch glatter Wortarchitektur ein solches Stück schreiben. Aber es befriedigt die Lust der Theatergänger nach einer Geschichte. In deren Zentrum stehen zwei Frauen, jeweils in jung und ein bisschen älter. Gabrielle verlor jung (die zauberhafte Vanessa Eckart) ihre Liebe, im Alter verliert sie den Verstand (rührend: Dascha von Waberer). Elisabeth verlor jung (die kraftvolle Eli Wasserscheid) auch ihre Liebe, weil sie die Abgründe ihres Mannes entdeckte. Alt ist sie Alkoholikerin, und Lilly Forgách spielt ihre Not herzzerreißend. Beider Frauenfiguren Glück hat derselbe Mann zerstört, Elisabeths Mann, und Thomas Schrimm spielt den, als wolle er sich die Haut zerreißen, um aus ihr zu können. An Gabrielles Unglück verzweifelt der treue Joe (Hubert Schedlbauer), er liebt sie, sie kann nicht mehr lieben. Weil da einmal Gabriel war, der bei einem Unfall starb, als er eine Wahrheit begriff. Die Feinheiten der Geschichte muss man selber rauskriegen. Es lohnt sich und man schaut gern zu.

Das Ende des Regens ; Metropoltheater, Floriansmühlstraße 5, bis 10. November

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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