Satiriker Martin Sonneborn:"So ernst ist das alles nicht"

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Auch eine Art, dem alltäglichen Irrsinn entgegenzutreten: Satiriker Martin Sonneborn über komische Seiten der Krise und die befreiende Wirkung von Witzen.

Charlotte Frank

Darf man in der Krise und über die Krise lachen? Martin Sonneborn, Mitherausgeber des Satiremagazins Titanic und Begründer der Partei "Die Partei" findet: Ja. Im Gespräch mit der SZ erklärt er, was er an der Wirtschaftskrise so lustig findet.

"Gerade in schwierigen Zeiten wollen die Menschen lachen": Titanic-Mitherausgeber Martin Sonneborn. (Foto: Foto: dpa)

Süddeutsche Zeitung: Herr Sonneborn, Tausende Menschen verlieren ihren Job, ihre Ersparnisse, ihren Glauben an ein Weltbild. Verlieren die in der Krise auch ihren Humor?

Martin Sonneborn: Was für eine Krise? Schon nach dem 11. September hat sich Titanic so gut verkauft wie nie zuvor. Und gerade zeigt sich, dass unser Konzept, ein Magazin ohne Anzeigen zu machen, Trendsetter-Qualitäten hat: Alle anderen Printmedien ziehen derzeit nach.

SZ: Gut, aber dass es um die Wirtschaft gerade nicht zum Besten steht, wissen Sie ja. Also, nochmal: Ist den Menschen das Lachen vergangen?

Sonneborn: Im Gegenteil. Gerade in schwierigeren Zeiten wollen die Menschen lachen. Aber ich sehe eigentlich auch noch keine Krise außerhalb von Werbe-, Bank- und Medienbranche. Na gut, ein paar Daimler-Arbeiter dürfen sich jetzt über ein paar zusätzliche Urlaubstage freuen.

SZ: Also, Herr Sonneborn...

Sonneborn: Was denn?

SZ: Finden Sie wirklich, dass man darüber jetzt Witze machen darf?

Sonneborn: Man darf über alles auf der Welt Witze machen. Für uns von Titanic ist der Witz doch auch eine wirksame Art, dem alltäglichen Irrsinn, von dem wir umgeben sind, entgegenzutreten. Ein guter Witz hat etwas Befreiendes. Ich finde es sympathischer, die Lage nicht schlimmer zu reden, als sie wirklich ist; und die Dinge nicht so ernst zu nehmen.

SZ: Nennt man das ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht eher Zynismus?

Sonneborn: Ach kommen Sie, so ernst ist das alles auch wieder nicht. Die Krise hat, wie alles in der Welt, extrem komische Seiten. Momentan geschehen jeden Tag viel mehr lustige Dinge als sonst. Als Satiriker muss man nicht mal mehr danach suchen.

SZ: Zum Beispiel?

Sonneborn: Wir erleben gerade, wie ein ganzes Weltbild zusammenbricht: Der Kapitalismus wandelt sich in Enteignungspolitik, und die FDP profitiert davon. Banker haben auf einmal einen noch schlechteren Ruf als Journalisten, Trickbetrüger oder die Pius-Brüder. So viel komisches Spielmaterial war selten.

SZ: Was ist denn daran so lustig?

Sonneborn: Denken Sie doch zum Beispiel daran, dass Ole von Beust gerade erklärt hat, die Zeit des Kapitalismus sei endgültig vorbei. Da habe ich laut lachen müssen. Für einen CDU-Mann ist das wirklich eine überraschend reife und durchdachte Einsicht. Als meine Partei "Die Partei" im Jahr 2004 gefordert hat, Banken und Betriebe zu verstaatlichen, waren die Leute noch belustigt.

SZ: Und plötzlich fordert das nicht nur Herr von Beust, sondern ganze Teile der CDU.

Sonneborn: Richtig. Ich bin der Überzeugung, dass Angela Merkel, ihres Zeichens ehemalige Sekretärin für Agitation und Propaganda der FDJ, diesen Masterplan von langer Hand vorbereitet hat. Mehr als 20 Jahre hat sie gewartet, und jetzt schlägt sie zu. Meinen Respekt, das hat sie wirklich gut gemacht.

SZ: Mit so einem Witz hätten Sie noch vor einem halben Jahr nicht ein einziges müdes Lächeln geerntet. Ändert sich der Humor in Krisenzeiten?

Sonneborn: Das war kein Witz. Und: Humor ändert sich nicht, nur die Themen werden andere.

SZ: Haben Satiriker es also bei den derzeitigen Themen einfacher?

Sonneborn: Wir bestreiten nicht, dass schwere Zeiten gute Zeiten für Satire sind.

SZ: Und umgekehrt geht Ihnen in guten Zeiten der Stoff für Witze aus?

Sonneborn: Nein, wenn das ganze Land während einer Fußball-WM im Freudentaumel liegt, fällt es uns auch nicht schwer, damit zu arbeiten. Schwierig ist eher das Mittelmaß. Ereignisreiche Zeiten sind immer gut, egal ob es positive oder negative Ereignisse sind, über die wir lachen.

© SZ vom 23.02.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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