Sänger treffen Puppen:Zum Leben erweckt

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Der österreichische Puppenspieler Nikolaus Habjan inszeniert die zweite Festspiel-Premiere: Carl Maria von Webers Oper "Oberon, König der Elfen".

Von Rita Argauer

Zielstrebig: Seit er vier Jahre alt ist, weiß Nikolaus Habjan, dass er Opern mit Puppen inszenieren möchte. (Foto: Hans Hochstöger/Agentur Focus)

Nikolaus Habjan ist ein penibler Mensch. Und dementsprechend verfolgt er seine Ziele recht konsequent. Und das eigentlich schon seit er vier Jahre alt ist. 1991 war das, so genau weiß der mittlerweile 29-jährige Österreicher das noch. Da besuchte er eine Vorstellung des Salzburger Marionettentheaters von Mozarts "Zauberflöte". Und seitdem habe Habjan diesen Traum gehabt, der ihn nie wieder losgelassen hat: Er wusste, dass er irgendwann Opern inszenieren will. Und zwar mit Puppen.

Opernregie, ja, das ist für einen Vierjährigen an sich schon eine recht genaue Vorstellung von dessen zukünftigem Berufsleben. Und es ist faszinierend genug, dass Habjan diesen Plan so durchgezogen hat. Denn nach der Schule begann der gebürtige Grazer ein Studium der Musiktheater-Regie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Doch Opernregie war eben nur die Hälfte von Habjans Berufswunsch. Es mussten die Puppen hinzu kommen. Und das zeigte sich ein wenig komplizierter: "Puppenspiel kann man in Österreich leider nicht studieren", erklärt er. Also besuchte er einen Workshop des australischen Puppenspielers Neville Tranter. Anschließend ging es autodidaktisch weiter. Mittlerweile unterhält Habjan ein Atelier, in dem er seine oft lebensgroßen Puppen selbst baut und fast erschreckend naturalistisch ihren menschlichen Mitspielern auf der Bühne nachempfindet. Bei den Münchner Opernfestspielen wird es so etwa eine Puppe mit den Antlitz von Annette Dasch geben.

Puppenspiel ist in der heutigen Theaterlandschaft eine Nische. Doch für Habjan haben die Puppen einen besonderen Reiz: "Puppen haben andere Parameter", drückt er das etwas kompliziert aus und meint letztlich doch eine recht einfache Feststellung: Die Bühne an sich ist ein stilisierter Ort, wenn man versuche dort besonders naturalistisch zu sein, wirke das oft sehr künstlich. Puppen hingegen sind ebenso stilisierte Menschen wie die Bühne eine stilisierte Welt ist - also passen die Parameter da zusammen, und es kann Kunst entstehen, deren Wirkung emotional in die menschliche Wirklichkeit zielt, so Habjans Theorie.

In der Praxis löst sich diese Theorie gerade ein. Denn Habjan und seine Puppen sind erstaunlich gefragt. 2012 bekam er für die Inszenierung von F. Zawrel - erbbiologisch und sozial minderwertig den Nestroy-Theaterpreis. Szenen mit der Puppe, die er nach den Gesichtszügen von Jelinek dafür anfertigte, sind ein kleiner Youtube-Hit im Internet geworden. Es folgten Arbeiten am Schauspielhaus Graz oder dem Wiener Volkstheater. Und nun hat Carl Maria von Webers Oper "Oberon, König der Elfen" bei den Münchner Opernfestspielen Premiere.

Ergänzend: Die Bühne als stilisierte Welt benötigt auch stilisierte Bewohner, also Puppen. (Foto: Hans Hochstöger/Agentur Focus)

Nikolaus Habjan fertigt die lebensgroßen Klappmaulpuppen selbst

Die romantische Oper, die 1826 am Londoner Covent Garden uraufgeführt wurde, spielt in der Welt der Feen und Elfen. Die Übergänge von der fantastischen Welt der Feen zur Menschenwelt und die darin spielenden Liebeswirren sind dabei fließend. Eine Grundsituation, die sich für Habjans Regiestil anbietet. Denn Habjan spielt nicht ausschließlich mit Puppen, so wie er das als Kind im Salzburger Marionettentheater gesehen hat. Habjan setzt seine selbst gefertigten, lebensgroßen Klappmaulpuppen neben echten, lebendigen Sängern ein. Etwa eben Annette Dasch, die in Oberon die Kalifentochter Rezia singen wird oder Julian Prégardien in der Titelrolle. "In dem Stück gibt es einen sehr hohen Anteil von gesprochenen Passagen", erklärt Habjan. Das habe er als Konzept übernommen: Die Puppen spielen die Sprechrollen, die Sänger singen.

Für Habjans Karriere markiert diese Arbeit für die Bayerische Staatsoper einen größeren Schritt. Es ist seine erste Arbeit dort, Staatsintendant Nikolaus Bachler habe ihn dafür angefragt. In München hatte er zuvor etwa sein Stück "F. Zawrel - erbbiologisch und sozial minderwertig" im NS-Dokumentationszentrum gezeigt. "Oberon" ist jedoch eine große Auftragsarbeit, bevor eine Inszenierung Habjans von Pierre Carlet de Marivaux' "Streit" am Residenztheater in der kommenden Spielzeit folgen wird.

Habjan verfolgt dabei als Künstler einen interessanten Ansatz. Denn er legt sich nicht ausschließlich auf eine Theatersparte fest. Sein ästhetisches Alleinstellungsmerkmal sind hingegen die Puppen. Und mit denen erschafft er Sprechtheaterabende genauso wie Opern, damit kann er sich den postmodernen Textströmen einer Elfriede Jelinek genauso nähern, wie einem Klassiker wie Lessings "Nathan der Weise", den er zuletzt am Wiener Volkstheater inszenierte.

Oder aber Habjan bewegt sich gleich ganz weg von der klassischen Theatersituation. Etwa bei einem Liederabend. Denn in München wird er nicht nur den "Oberon" inszenieren, er tritt auch in einem Liederabend mit der Musicbanda Franui auf. Das zehnköpfige Osttiroler Ensemble balanciert spielerisch zwischen Kunstlied und Volksmusik und widmete sich sowohl den großen romantischen Liedkomponisten Schubert, Brahms und Mahler, als auch folkloristischen Tänzen.

Habjan lernte die Truppe bei einer Arbeit 2012 am Wiener Volkstheater kennen. Für ihren Liederabend in München kombinieren sie nun Texte von Robert Walser mit Liedern von Schubert, Schumann und Mahler und spielen das mit sechs Blasinstrumenten sowie Geige, Kontrabass, Hackbrett und Harfe. Dabei soll unter dem Titel "Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus" die in der Romantik so symbolträchtige Figur des Wanderers nachgezeichnet werden. Und anders als in "Oberon", wo Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock die Puppen spielen, steht Habjan mit Franui dann einmal auch selbst auf der Bühne und führt seine selbstgebauten Klappmaulpuppen durch das Leben des Wanderers.

Oberon, König der Elfen , Freitag/Montag/Donnerstag, 21./24./27. Juli, je 19 Uhr, Sonntag, 30. Juni, 18 Uhr, Franui Liederabend , Freitag, 28. Juli, 20 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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