Rowohlt:Wie soll eine Verlegerin sein?

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Marie Schmidt ist Redakteurin des SZ-Feuilletons für Literatur. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Ob Random House oder Holtzbrinck-Gruppe: Die Verlagskonzerne müssen sich entscheiden, ob ihre Labels von Charismatikern oder von Marktstrategen geleitet werden.

Kommentar von Marie Schmidt

So gerne man in starken Begriffen über den neuen Verlegerwechsel im Rowohlt-Verlag reden würde, über Scheitern, Schmach und Genugtuung unter dem Dach des Holtzbrinck-Konzerns, so wenig geben die tatsächlichen Nachrichten ein Drama her. Schon gar nicht die offiziellen Statements aus dem Verlag, in denen von Respekt, Kompetenz, Tradition und teamorientiertem Führungsstil die Rede ist. Leere, abwaschbare Wörter, die nichts darüber sagen, wie man sich die Zukunft dieses bedeutenden Publikumsverlags vorstellen kann.

An den Personalien selbst ist allerdings gut zu erkennen, wie sich Verlags-Eigentümer und -Manager heute ihre Verleger vorstellen. Zuletzt hat man es mit dem Charismamodell versucht, den Bestsellerautor und Mann von Welt Florian Illies hielt es aber nicht auf dem Chefposten. Deswegen folgt ihm jetzt Nicola Bartels nach als "verlegerische Geschäftsführerin". Ihrer bisherigen Karriere nach zu urteilen, ist sie eher eine Verlegerin nach dem Strategiemodell: Von Bastei Lübbe kommend, stand sie bei Random House zuletzt einer Reihe von erstaunlich unterschiedlichen Verlagen vor: Blanvalet in der Unterhaltungssparte, dem alten Bertelsmann-Kinderbuchverlag cbj und dem ambitioniert literarisch neu belebten Penguin-Verlag. Das geht, weil bei Random House in München einzelne Verlage zunehmend den Charakter von Labels haben, die gemeinsam als verlegerische Segmente des Konzerns sortiert werden. Nicola Bartels habe, hieß es zu ihrem Abschied bei Random House, die strategische Ausrichtung der Verlagsgruppe entscheidend mitbestimmt.

Die Frage ist, ob sie bei Holtzbrinck unter dem ebenfalls Random-House-erfahrenen CEO Joerg Pfuhl etwas Ähnliches in Anschlag bringt. Die Verlage der Gruppe stehen bisher anders zueinander, sie machen sich selbstbewusst Konkurrenz. Bei Rowohlt mit dem Hamburger Mutterverlag und dem Ableger Rowohlt Berlin sogar im selben Haus. Die Geschichte und Tradition von Häusern wie Rowohlt, S. Fischer, Kiepenheuer & Witsch oder auch Droemer Knaur sind lange von einem dritten Typus bestimmt worden, dem des Verlegers oder der Verlegerin, die einen intellektuellen Stil prägen, wie etwa die im vergangenen Jahr verstorbene Fischer-Verlegerin (und Holtzbrinck-Miteigentümerin) Monika Schoeller.

Heute dagegen, sagte Nicola Bartels kürzlich in einem Interview, müsse es für Lektoren darum gehen, "bei potenziellen Buchprojekten zwischen der eigenen Perspektive und der Nachfrage durch die Zielgruppe zu unterscheiden". Allem Anschein nach ist es also das, was eine Verlegerin heute besonders glaubwürdig macht: betont uneitler Marktrealismus.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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