Rosa Parks:Rettung einer Superheldin

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"Den Opfern der Ungleichheit" - Rosa Parks' verpflanztes Haus. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Warum das Haus der US-amerikanischen Bürgerrechtsikone Rosa Parks jetzt in Berlin steht.

Von Antonie Rietzschel

Ob Michelle Obama doch noch anruft? Der Künstler Ryan Mendoza hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die frühere First Lady meldet, um zurückzufordern, was eigentlich in die USA gehört. Und nicht in den Berliner Wedding. Hier, zwischen Platte und Altbau, steht ein kleines Holzhäuschen, von dem schwarze und weiße Farbe in großen Fetzen abblättert. Schäbig sieht es aus, und doch ist es ein Symbol. Denn in diesem Haus wohnte einst Rosa Parks. Die Frau, die sich 1955 weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast zu räumen, und zur Symbolfigur der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in Amerika wurde.

1957 zog Parks von Alabama nach Detroit, 2672 South Deacon Street. Zwei Jahre lebte sie in ärmlichen Verhältnissen in dem kleinen Häuschen, gemeinsam mit der Familie ihres Bruders. Siebzehn Menschen unter einem Dach. Jetzt, 60 Jahre später, steht das Haus in der Wriezenerstraße 19 in Berlin. Im Garten von Ryan Mendoza. Das Haus nach Berlin zu holen, war Teil einer Rettungsaktion. Die Stadt Detroit wollte es abreißen lassen. Rosa Parks' Nichte, Rhea McCauley, kaufte es für 500 Dollar. Für Renovierungsarbeiten hatte sie kein Geld. Die Ruine wurde zur Müllhalde. McCauley wusste nicht mehr weiter und wandte sich an Ryan Mendoza.

Vor mehr als zwei Jahrzehnten hat Mendoza die USA verlassen. Angesichts von Polizeiwillkür und Rassismus konnte er nie verstehen, warum man die USA als "die tollste Nation der Welt" bezeichnen sollte. Er lebte in Italien, vor fünf Jahren kam er nach Berlin. Doch seine Heimat konnte er nicht abschütteln. So kehrte er im Frühjahr 2016 zurück. Der Künstler suchte nach einem Haus, um es mit nach Europa zu nehmen. In Detroit sollten damals Tausende Gebäude abgerissen werden. Mendoza fragte beim Bürgermeister nach, ob es ein Haus gebe, das eine besondere Bedeutung habe. Ein Haus, das es zu retten lohnt. Die Antwort lautete: Nein.

In dieser Zeit erreichte die Mendozas der Hilferuf von Rosa Parks' Nichte. Rhea McCauley wollte das Haus und die Erinnerung an die Bewohnerin bewahren. Ein Museum sollte entstehen. Doch weder die Stadt Detroit noch Initiativen waren bereit, das Projekt zu unterstützen. Angesichts des Desinteresses wandte sich McCauley verbittert an Mendoza, wie er berichtet. "Sie sagte zu mir: Bring dieses Haus fort von hier, in ein Land, wo es geschätzt wird." Im Juli 2016 begann er mit dem Abbau.

Fabia Mendoza hat die Arbeit ihres Mannes mit der Kamera dokumentiert, daraus entstanden ist der Film "The White House". Der Künstler selbst steht nicht im Mittelpunkt, sondern die schwarze Community. Eine junge Frau rappt vor dem Gerippe des Hauses über Polizeiwillkür gegen Schwarze. Rhea McCauley, die Nichte von Rosa Parks, warnt vor einem faschistischen Amerika. Doch vor allem geht es um die Ignoranz der amerikanischen Gesellschaft gegenüber dem Erbe der Bürgerrechtlerin. Und zwar in einer Zeit, in der das Thema Diskriminierung aktueller ist denn je.

Im August 2016 fuhr bei den Mendozas im Berliner Wedding ein großer Laster vor. Darin befand sich Rosa Parks' Haus, in seine Einzelteile zerlegt. Vier Monate brauchte Ryan Mendoza, bis er das Puzzle zusammengesetzt hatte. Anfang April öffneten die Mendozas zum ersten Mal das große graue Tor für Besucher. Hunderte Menschen kamen, um sich das Haus anzusehen. Abends beleuchtete warmes Licht das Gebäude von innen und ließ es heimelig aussehen. Auch die Nichte von Rosa Parks reiste zur Eröffnung nach Berlin. Ganz abgeschlossen ist das Projekt noch nicht. Ryan Mendoza arbeitet gerade an der Soundcollage für das Haus: Titelmusik von Superheldenserien aus den Fünfzigerjahren, vermischt mit der Stimme von Rosa Parks. "Ihre Stimme lässt das Holz vibrieren, das Haus wird wieder lebendig", sagt er. Jedes Einzelteil des Hauses ist durch die Hände des 45-Jährigen gegangen, mehr als 100 000 Euro haben er und seine Frau in das Projekt gesteckt. Und trotzdem bleibt das Haus für sie ein Fremdkörper. "Es gehört uns nicht. Es gehört denjenigen, die Opfer der Ungleichheit in den USA geworden sind."

Ryan Mendoza wünscht sich, dass Rosa Parks' Erbe in die USA zurückkehrt. Und dabei kommt Michelle Obama ins Spiel. Mendoza würde die frühere First Lady gerne als Botschafterin für das Projekt gewinnen. Seine Idee: Rosa Parks' Haus soll nach Washington ziehen. Direkt neben das Weiße Haus. Neben den Palast also, der auch von Sklaven erbaut wurde und in dem heute Donald Trump regiert. Am 28. und 29. April können sich Besucher das Haus von Rosa Parks auf dem Grundstück der Mendozas anschauen.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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