Roman Polanski wird 70:Die kalte Formation der Welt

Lesezeit: 2 min

Er ist ein Filmemacher auf der Flucht, immer wieder sieht er sich zum Verschwinden gezwungen, zum Untertauchen - auf Grund der politischen Ereignisse, aber auch der eigenen Obsessionen und Verfehlungen wegen.

Von Fritz Göttler

(SZ com 18.07.2003) — Als Junge hat er den Nazi-Terror in Polen überlebt, das Warschauer Ghetto, seine Familie ist in Auschwitz ermordet worden. Jahrzehnte später hat er diese Erfahrungen in einem Film reflektiert, "Der Pianist", die Geschichte des jungen Musikers Wladyslaw Szpilman.

Die verfolgte Unschuld ist sein Thema, wobei dem Begriff natürlich überhaupt nicht zu trauen ist, genauso wenig wie seinem Gegenstück, dem der Schuld. Polanski hat das selbst grotesk und koboldhaft durchgespielt in "Der Mieter", hat es spielerisch abgewandelt in den Frauen in "Ekel" und "Rosemary's Baby", "Was?" und "Tess". Frauen, die im besten Falle auf der Suche sind nach einem Platz in der Gesellschaft, im schlimmsten sich abstrampeln, um den geilen Nachsetzungen der Männer zu entgehen.

Epochales Kino

Das ist epochales Kino, erklärten 1979 die Cahiers du Cinéma zu "Tess", Kino im Stil der großen Zeit. Und der dankbare Polanski erklärte seine Begeisterung übers große französische Kino von "Les enfants du Paradis" bis "La Belle et la bête", ein starkes Bekenntnis zum cinéma du qualité.

Polanski war einer der wenigen, die die französische Nouvelle Vague ablehnten, und die Filme, die er erst in England, dann in den USA drehte, hat er wie ein Gegenprogramm dazu inszeniert. Heute lebt er in Paris, hat sich ausgesöhnt mit den Gegnern von einst.

Es ist gleichwohl immer noch ein Exil, dieses Pariser Leben - noch immer darf Polanski keinen Fuß auf amerikanischen Boden setzen, seitdem ihm 1977 der Prozess gemacht wurde wegen der Verführung einer Minderjährigen.

Weshalb er auch der Oscar-Zeremonie in diesem Frühjahr fern geblieben ist, den Academy Award nicht persönlich in Empfang nehmen konnte für "Der Pianist".

Eine Sehnsucht ist geblieben nach dem amerikanischen Kino, dem er ein schwarzes Meisterstück schenkte wie "Rosemary's Baby" oder "Chinatown", eine Sehnsucht, die auch in "Tess" spürbar ist, der Verfilmung von Thomas Hardys großem Roman, mit Nastassja Kinski.

Ein Projekt, dem Polanski viel Zeit und Energie gewidmet hat - so wie das auch einer der größten Hollywoodianer seinerzeit getan hatte, David O. Selznick: "Er hat zwei Projekte gehabt, die ihm ganz besonders am Herzen lagen", so Polanski, "Vom Winde verweht und Tess ..." Polanskis "Tess" war dann ein schrecklicher Misserfolg, aber er ist ein Herzstück in seinem Werk, dem man mit rein ästhetischen Kategorien eben nicht beikommt: Auch in dieser Heldin kann man, ziemlich unverhüllt, den Filmemacher selbst sehen: "Sie schien von dem Gedanken beherrscht, die Menschen zu meiden - oder vielmehr diese kalte Formation, die man Welt nennt, die, so schrecklich in der Masse, gar nicht furchterregend, ja, selbst mitleiderregend in ihren einzelnen Elementen ist."

Wie Spielberg ist Polanski ein Peter Pan des Kinos, von Hollywood träumend als seinem Neverland. Wo er gern noch ein paar seiner Jugendträume realisieren würde...Noch ist es nicht zu spät, heute feiert Roman Polanski ja erst seinen siebzigsten Geburtstag.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: