Rock:Immer dem Bass nach

Lesezeit: 4 min

In den gut fünf Jahrzehnten ihrer Karriere hebelte Suzie Quatro das Machotum der Pop-Szene aus und wurde wegweisend für rockende Frauen. Ihr neues Album stellt sie nun im Circus Krone vor

Von Michael Zirnstein

Wenn Suzi Quatro von den wenigen Momenten der Schwäche in ihrer 55-jährigen Karriere erzählt, wird umso klarer, wie stark diese zierliche Frau wirklich ist. In einem Film über ihr Leben, der im Herbst erscheinen soll, bricht sie einmal gar in Tränen aus. Da erzählt sie, wie es war, aus dem behüteten Elternhaus in Detroit alleine nach England aufzubrechen, wo ihr der Musikproduzent Mickey Most auf der Suche nach einer Nachfolgerin für Janis Joplin versprochen hatte: "Komm mit, ich mache dich zum Star." Womit er recht behielt: Die neuen Songwriter des Labels RCA, Mike Chapman und Nicky Chinn, schrieben dem "Wild American Girl" den ersten Nummer-1-Hit "Can The Can". Sie wurde in Europa, Asien und Australien bejubelt als die "Lady des Rock", die erste angesehene singende Instrumentalistin in einem Männerreich, die sich die Freiheit nahm, im Musical ("Annie Get Your Gun") und im Fernsehen ("Inspector Barnaby") zu spielen und eine eigene BBC-Radioshow zu moderieren. Bei der Sichtung der Aufnahmen zu ihrer Biografie sei es nicht leicht gewesen, die Tränen auszuhalten, aber sie wollte sie im Film haben: "Alles soll ehrlich sein."

Noch so ein Moment der Schwäche war jener berühmte, als sie Elvis versetzte. Aus Schüchternheit. Presley hatte ihre Version von "All Shook Up" gehört und rief sie persönlich im Hotelzimmer an, als sie auf Tour in Memphis Halt machte. Sie solle rüberkommen auf sein Anwesen Graceland. Quatro lehnte ab, sie sei zu beschäftigt. In Wahrheit fühlte sie sich einfach noch nicht gut genug, ihr großes Idol zu treffen, dem sie nacheiferte, seit sie als Kind Elvis im Fernsehen bestaunt hatte. Selbst ihr ikonografisches Bühnen-Outfit, der dunkle Leder-Overall, in dem Bravo-Leser sie 1973 mit weit geöffnetem Reißverschluss als Star-Schnitt zusammenpuzzeln konnten, ist eine Hommage an Presley. Von der Lederkluft riet ihr Mickey Most ab. Das sei zu altmodisch. Der Manager lernte schnell: "Sie können Suzi nichts befehlen. Sie können ihr nur etwas vorschlagen. Und dann macht sie, was sie will."

Verlässlich: Ihrem Fender-Bass und dem Leder-Look ist Suzi Quatro über all die Jahre treu geblieben. (Foto: Rainer Haas)

Das war wohl nur einmal anders, ganz zu Beginn in ihrer Karriere: Als Susan Kay, Nachfahrin ungarisch-italienischer Einwanderer, zusammen mit ihren Schwestern und zwei anderen Mädchen die Teenie-Band The Pleasure Seekers aufmachte, schnappten ihr die anderen die beliebten Instrumente weg. Sie war mit 14 die Jüngste, ließ es geschehen - ihr blieb der Bass, obwohl sie Klavier gelernt und im Schulorchester Bongo gespielt hatte ("Alle Jungs hassten mich dafür"). Ihr Vater kaufte ihr einen Fender Precision Jazz Bass, den "Roll Royce", und als sie ihn sich das erste Mal umhängte hatte sie eine Art Erleuchtung: "Oh Gott, das bin ich. Wenn Leute mich auf der Bühne sehen, sagen sie: Der Bass ist wie eine Erweiterung meines Körpers." Der Bass ist 1,15 Meter lang bei ihrer Körpergröße von 1,52 Meter. Weit kräftigere Kollegen klagen oft über Rückenschmerzen. "Alles Wimps" (Weicheier), sagt Quatro, "ich hatte nie Beschwerden, das liegt wohl an meiner Haltung: Mit einem Bass darf man keinen Buckel machen, ich stehe aufrecht." Quatro hat schon immer den Kerlen gezeigt, wo es lang geht.

Auf dem neuen Album "No Control" fasst sie in einer breitbeinig rockenden Nummer noch einmal zusammen, was sie - die seit 1993 mit dem Hamburger Konzert-Agenten Rainer Haas verheiratet ist - von tumben Mackern hält: "Macho Man, get out of my life." Sie liebe Männer, die stark sind, wenn sie auch weinen können, sagt sie. Echte Probleme habe sie backstage nie gehabt mit den harten Rocker-Kollegen. "Und wenn so ein betrunkener Idiot mal die Linie überquert, tut er das nur einmal. Ich habe ein lautes Mundwerk. Ich habe auch etwas Mitleid, die Machos sind ja Opfer ihres Machotums." Auch darauf, und nicht nur musikalisch, kann man beziehen, was ihr Produzent Chapman sagt: "Jede Frau im Musikgeschäft, die nach Suzi gekommen ist", von Joan Jett bis Rihanna, "schuldet ihr was".

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Mit dem Bass ist sie eine Macht. Auf dem neuen Album gibt es den etwas mysteriösen, Steely Dan-artigen Song "Bass Line": Die Basslinie werde dir den Weg weisen. Der Bass, erklärt sie, führe in ihr Innerstes, zu den Instinkten und zur ureigenen Wahrheit, erklärt sie. Und: "Der Bass ist der Motor der Band." Das demonstriert Quatro in jedem Konzert mit ihrer neunköpfigen Combo bei einem 15-minütigen Bass-Solo, das sie durch Funk, Jazz und Slapping jagt. Da fühlt sie sich losgelassen, völlig frei. Den Idealzustand erreichte sie zuletzt auch im Studio: "No Control" soll heißen, dass sie, die am 3. Juni 69 Jahre alt wird, erstmals ganz selbst produziert hat. "Ich war zum ersten Mal ganz allein im Studio und konnte machen, was ich wollte. Es war wie Fliegen - keine Kontrolle."

Hilfe hatte sie aber von einem der wichtigsten Männer in ihrem Leben: ihrem Sohn Richard. Der wollte schon lange mit ihr Musik machen, sie wiegelte stets ab. "Aber diesmal war er sich ganz sicher, was er wollte. Er kam mit mir als Kind auf Tour - und jetzt sah er mich mit dem Blick von einst, im ursprünglichen Sinn." Als Rhythmusgitarrist schrieb er raue Riffs für die Songs, aber auch viel Bluesiges - was wiederum Quatro anstachelte. Einmal rief sie beim Soundcheck vor einem Konzert an, und spielte ihm stolz am Telefon einen eigenen Blues vor, zu dem dann Memphis-Bläser hinzukamen und der sich zum lasziven Vorzeigestücke der Platte entwickelte: "Going Down Blues": "If my confession's the weapon you choose / Push the knife deeper, it's sure to cut you." Wenn man ihre Bekenntnisse wie ein Messer gegen sie richtet, dreht sie den Spieß um.

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Suzi Quatro , Mi., 29. Mai, 20 Uhr, Circus Krone

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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