Residenzwoche:Höfisch, festlich, abseitig

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Alte Musik ist in München rar - außer bei der Residenzwoche, wo man zusätzlich noch seltene Einblicke in die Räume der Wittelsbacher bekommt

Von Rita Argauer

München hat es nicht so sehr mit der Alten Musik. Das ist auch nicht weiter schlimm, immerhin passiert hier genug aktuelle Musik. Doch eine Tradition wie etwa in Freiburg oder die der Berliner Akademie für Alte Musik gibt es hier nicht. Außer einmal im Jahr, wenn die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung, sich entschließt, eines der alten Gebäude, die unter ihrer Verwaltung stehen, zu öffnen. "Residenzwoche" nennt man das schlicht, wenn man in Sonderführungen durch die ehemaligen Wohn- und Wirkräume der Wittelsbacher spazieren kann und Einblicke bekommt, die auch immer eine kleine Zeitreise sein wollen: Etwa eine Führung zum Thema "Das Herzkabinett der Kurfürstin Henriette Adelaide nach 1666" oder die öfter angebotenen Rundgänge, die "Geschichte und Geschichten" versprechen.

Doch besonders wird die Residenzwoche auch durch das musikalische Programm. Die sonst sehr strikte Schlösserverwaltung öffnet in dieser Zeit nämlich die prunkvollen und sonst nicht für Konzerte vorgesehenen Säle wie das "Antiquarium" oder den "Kaisersaal" für verschiedene Ensembles. Und dann erklingt in München Alte Musik, historisch informiert, im authentischen Ambiente und als stilistisch korrekter Soundtrack zu den herbstlichen Führungen durch die Residenz.

Doch das Eröffnungskonzert, das traditionell von den "Freunden der Residenz" veranstaltet wird, ist mit einem Bach-Motteten-Programm noch fast konventionell. Denn Ralf Jaensch, der mit seiner Agentur "Le Nuove Musiche" die restlichen fünf Konzerte der Residenzwoche programmiert, kostet die Freiheit, die ihm dieser Rahmen bietet, besonders aus: "Da kann man dann auch Musik von Komponisten spielen, die niemand kennt, das Publikum kommt aber trotzdem." Eine schöne Voraussetzung, die Jaensch in diesem Jahr auch wieder erfüllt hat. "Wir haben keine spezielle inhaltliche Linie", sagt er, mehr würde er eben unbekannte Alte Musik zusammensuchen, in der er einen Bezug zu München, den Wittelsbachern oder der Residenz finden kann. Etwa das Konzert am Sonntag, 11. Oktober im Antiquarium. Mit Musik von Giovanni Gabrieli, Cristofano Malvezzi und Jacobo Peri verweist das zwar auf den ersten Blick auf die italienische Renaissance. Doch: "Im Antiquarium sieht man starke florentinische Einflüsse in der Baukunst", erklärt Jaensch. Außerdem habe Gabrieli ein Werk dem bayerischen Herzog Maximilian I. gewidmet - das Konzert soll den Eindruck eines Festes am Hofe vermitteln. Die Musik wurde dementsprechend ausgewählt.

Noch etwas abseitiger ist das Programm des Konzerts am Freitag, 16. Oktober. Unter dem Titel "Violin verstimbt" bekommt man ganz seltsam gestimmte Geigen zu hören. Skordatur nannte man diese Art der komplizierten Umstimmung im Barock, die eine andere akkordreichere Spielweise erlaubte. Die Barockviolinisten Karoline Echeverri Klemm und Germán Echeverri Chamorro setzen sich in Werken von Johann Kaspar Kerll, Johann Heinrich Schmelzer und Heinrich Ignaz Franz von Biber damit auseinander. "Das ist kompliziert", erklärt Jaensch, denn die alten Instrumente würden die Stimmung sowieso schon schlechter halten als ihre modernen Pendants. Das Umstimmen und gar Umspannen der Saiten für die Skordaturen mache das nicht einfacher: "Vermutlich werden sie mehrere Instrumente mitbringen", sagt Jaensch. Es ist schwierig, das Interesse für derart ungewöhnliche und unbekannte Programme zu wecken, doch: "Ich freue mich, dass wir die Attraktivität der Residenzwoche nutzen können, damit wir auch für solche Programme ein Publikum haben." Und das hat in den vergangenen Jahren ganz gut funktioniert. Ein außergewöhnlicher Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart wird im sogenannten "Nachtkonzert" am Samstag, 17. Oktober im Schwarzen Saal gespannt. Die türkischstämmige Sängerin Nihan Devecioglu singt barocke, traditionelle und neue Musik aus Europa und der Türkei. Und damit die Alte Musik auch in München eine stärkere Tradition bekommt, gründete Musikhochschul-Professor Joachim Tschiedel im vergangenen Jahr das Ensemble "Accademia di Monaco", die mit Werken von Mozarts Weggefährten in München, Mannheim und Wien auftreten werden (Sonntag, 18. Oktober, Kaisersaal).

Residenzwoche , Samstag, 10. bis Sonntag, 18. Oktober, Residenz München, 21 83 73 00

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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