Regisseur Roger Donaldson:Vulkanologe der Gefühle

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Ein unterschätzter Meister seines Fachs: Dem Hollywood-Regisseur Roger Donaldson ist kein Genre fremd. Ob Katastrophenfilm, Polit-Thriller oder Komödie - sein neuester Streich ist alles auf einmal: "Bank Job".

Rainer Gansera

Zuerst erzählt er von Berlin. Für ihn derzeit die spannendste Stadt: "Die Familie meiner Frau stammt aus Deutschland. Ich habe Berlin kurz nach dem Mauerfall besucht.

Lässt sich nicht in Schubladen stecken: der australische Regisseur Roger Donaldson. (Foto: Foto: REUTERS)

Ich wollte mit eigenen Augen sehen, wie das wiedervereinigte Deutschland entsteht. Eine ungemein aufregende Erfahrung. Schon architektonisch kann man in Berlin die verschiedenen Schichten der Stadtgeschichte erkennen, wie sie nebeneinander liegen, aufeinander prallen: Osten und Westen, das Alte, Historische und die moderne Glas-Stahl-Architektur".

Roger Donaldson ist gelernter Geologe, Fachgebiet Vulkanologie. Ihn interessieren die Aufbrüche der seelischen und sozialen Landschaften: Wenn plötzlich die Tiefenschichten eruptiv zutage treten, wenn unter der Oberfläche von Ordnung und Ratio das Chaos der Leidenschaften hervorbricht.

Meister der Vielfalt

In den Lexika wird er als "erfolgreicher Hollywood-Regisseur von Thrillern und Abenteuerfilmen" geführt. Er hat sechzehn Spielfilme in dreißig Jahren gedreht und dabei derart verschiedene Genres und Stoffe durchquert, dass man sie auf den ersten Blick gar nicht als Werke eines Regisseurs identifiziert.

Das Spektrum reicht von der eindringlichen Charakterstudie "Smash Palace" (1981) bis zum Katastrophen-Epos "Dante's Peak" (1997), wo Pierce Brosnan als Geologe vergeblich vor einem Vulkanausbruch warnt; von der irrwitzigen Komödie "Cadillac Man" (1990) bis zum Sciencefiction-Horror von "Species" (1995) und dem Polit-Thriller "Thirteen Days" (2000) mit Kevin Costner als Berater des amerikanischen Präsidenten während der "Kuba-Krise im Oktober 1962.

"Die bunte Vielfalt der Genres mag verblüffen, aber es geht in all meinen Filmen vor allem darum: eine aufwühlende Geschichte so spannend zu erzählen, dass Charaktere, die anfangs exzentrisch oder zwielichtig oder gemeingefährlich erscheinen, dann doch die Sympathie des Zuschauers gewinnen".

Australische Leidenschaften

Roger Donaldson wird 1945 im australischen Ballarat geboren, und die Liebe zum Kino lernt er im Kontrast zwischen väterlichen und mütterlichen Leidenschaften: "Mein Vater liebte amerikanische Filme. Während des Krieges war er Pilot, er traf viele Amerikaner, die im Südpazifik stationiert waren, er liebte Amerika, das amerikanische Genrekino und besonders Western. Jeden Mittwochabend gab es im örtlichen Auto-Kino ein Western-Doublefeature, da durfte ich meinen Vater begleiten.

Meine Mutter war anspruchsvoller in ihren Vorlieben. Mit ihr sah ich die frühen Filme von Ingmar Bergman oder Federico Fellini. Ballarat ist ein abgelegenes Städtchen, etwa 100 Kilometer von Melbourne entfernt. An den Wochenenden fuhr meine Mutter mit mir nach Melbourne, wo wir die Arthouse-Kinos besuchten. So entstand meine Kinobegeisterung zwischen den Extremen des amerikanischen Genrekinos und des europäischen Autorenfilms."

Obwohl er Geologie studiert, ist Donaldsons Leidenschaft die Fotografie, und weil man immer seiner Leidenschaft folgen muss, hängt er das Studium an den Nagel, geht nach Neuseeland, arbeitet als Standfotograf, dann als Kameramann und Regisseur für TV-Dokumentationen, inszeniert 1977 seinen ersten Spielfilm, "Sleeping Dogs", eine albtraumhaft-visionäre Bürgerkriegsparabel, und "Smash Palace", der Hollywood auf ihn aufmerksam macht.

Hollywood ruft

Schon bald schlägt er sein Domizil in Los Angeles auf, dreht 1984, gleich mit der Starbesetzung von Anthony Hopkins und Mel Gibson, eine aufwendige Neuverfilmung der "Meuterei auf der Bounty", dann seinen ersten Polit-Thriller "No Way Out" mit Kevin Costner in der Hauptrolle.

Amerikanisches Genre-Kino also, aber einfach nur Genre-Muster auszufüllen, würde ihn langweilen. Das Filmemachen muss ein Abenteuer sein, immer auch eine Art Forschungsunternehmen: "Amerikanische Filme sind Entertainment, Show-Business, nicht Show-Art.

Die guten europäischen Filme erzählen persönlich-existentielle Geschichten. Ich liebe ein Kino, das unterhaltsam ist und intellektuellen Ansprüchen trotzdem genügt. Ich brauche, um Interesse an einem Projekt zu finden, immer einen intellektuellen Zugang.

Katastrophenkino

Das gilt auch für jene meiner Filme, die am offensichtlichsten kommerziell ausgerichtet sind, wie zum Beispiel 'Dante's Peak' oder 'Species'. 'Dante's Peak' ist in seiner dramatischen Struktur und Special-Effects-Aufwendigkeit lupenreines Katastrophenkino, aber als ehemaliger Geologie-Student habe ich viel Zeit darauf verwendet, die wissenschaftlichen Aspekte eines Vulkanausbruchs präzise zu erarbeiten und einzubringen."

Alle Schichten und Aspekte einer Geschichte zu ergründen und aufzudecken, das wäre Donaldsons Ideal. Daher die Vielzahl der Schicksale und Charaktere, die seine Stories bevölkern.

Wie jetzt auch in dem Thriller "Bank Job". Was war sein besonderes Interesse an diesem Projekt? "Ich wollte durch die Geschichte dieses Bankraubs hindurch die Zeitstimmung und Atmosphäre im London des Jahres 1971 spürbar machen.

Ich war 1970 zum ersten Mal in London, ging damals eines Tages nach erledigter Arbeit in eine Bar. Dort bot sich mir ein verrücktes Bild: Da saßen alle diese Business-Gentlemen in Anzug und Krawatte herum, und die Frauen, die ihnen Drinks servierten, waren halbnackt. Es schien, als sei dieser Oben-ohne-Service die selbstverständlichste Sache der Welt. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Mit Erinnerungen wie dieser wollte ich den Film imprägnieren."

© SZ vom 19.6.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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