Rainhard Fendrich:Popstar im Punschkrapferl-Theater

Lesezeit: 3 min

In Wien sei "alles ein bisserl touristisch aufgebaut", sagt Rainhard Fendrich. Dennoch bekennt sich der Sänger mit Verve zur österreichischen Hauptstadt - und zu Amerika, auch wenn er Angst vor den Veränderungen hat

Interview von Michael Zirnstein

Sänger haben ihr Instrument stets dabei, aber sie müssen es auch selber bauen, sagt Rainhard Fendrich. So wie der Austropop-Star über die Stimme philosophiert, kann er sich in so ziemlich jedes Thema hineinsteigern. Allseits interessiert, so zeigt sich der Wiener, der Ende Februar 62 Jahre alt wird, auch auf seinem aktuellen Album "Schwarzoderweiß". Schmähstücke über "Sugardaddys" wie über "Graumelierte Herren" kommen, wie Fendrich sagt, "im Sound der Zeit" daher: im Folk. Der kommt ihm sehr entgegen: "James Taylor, Carole King und Neil Young, das sind meine Roots."

SZ: Auf Ihrem neuen Album gibt es einige Udo-Jürgens-Momente, gerade bei den großen Piano-Nummern. Wollen Sie die Lücke, die er hinterließ, ausfüllen?

Rainhard Fendrich: Dass ich Sie an Udo Jürgens erinnere, ist für mich ein absolutes Kompliment, nur hat der Udo die wesentlich bessere Stimme gehabt. Aber ich schreibe halt meine Texte selber, was der Udo nicht getan hat. Also, es gibt wirklich Künstler, die mich geprägt haben: Das ist von den Texten her und vom politischen Engagement der Konstantin Wecker. Das war der Allererste. Dann kam Reinhard Mey. Dann habe ich Hanns Dieter Hüsch gehört, wegen seiner Wortgewalt. Und bevor dann die anderen Österreicher wie der Georg Danzer und der Wolfgang Ambros kamen, war für mich der Udo da. Der hat diese Gratwanderung zwischen Chanson und Schlager so beherrscht, und ich war auch befreundet mit ihm. Ich glaube, es ist nicht so, dass ich sein Erbe weitertrage. Aber es ist eben ein Einfluss. Von JJ Cale hat sich der Clapton beeinflussen lassen, der Keith Richard von Marvin Gaye.

Bei dem Sound werden Jugenderinnerungen wach. Sie schwelgen in Ihren Liedern eh viel von Ihren wilden Jahren.

Ich ertappe mich schon, mich zu wundern, wie unfrei die Jugend heute ist. Mit welchen Zwängen die heute leben muss, wie dem Handy, einer zusätzlichen Extremität. Wie unbefangen wir dagegen unsere Jugend genossen haben - das war gut so! Natürlich fährt man lieber in einem klimatisierten Auto in den Süden. Aber wir sind halt verbotenerweise zwölf Stunden zu sechst in einem Käfer nach Jesolo gefahren. Da war Zeit kein Faktor. Aber da geht es um mich und meine Erinnerungen. Ich bin nicht in der Position, mir um die Jugend Sorgen zu machen.

"Schwarzoderweiß" heißt Rainhard Fendrichs aktuelles Album. (Foto: Inge Prader)

Schreckt es Sie nicht, dass viele junge Menschen einem Wertkonservativen wie Andreas Gabalier ins Olympiastadion folgen und er ein Konzert in der Reihe "MTV unplugged" spielt?

Er verdient auf jeden Fall Respekt. Ich bin zu lange in dem Geschäft und weiß, was es bedeutet, so ein Konzert zu stemmen. Mir fehlt aber leider zu seiner Musik jeglicher Zugang, wobei mir auch Zwölftonmusik und Freejazz nichts sagen. Ich hatte nie mit Volksmusik zu tun, weil ich bin ein Wiener. Wien ist was anderes. Ich habe schon kaum zum Wiener Lied Zugang, was ja unsere Volksmusik ist, diese Schrammeln.

Ist es mutig, sich in Österreich zu Wien zu bekennen, wie Sie im Stück "Für immer a Wiener"?

Immer! Sich als Wiener zu deklarieren, macht einen in den Bundesländern nicht unbedingt beliebt, auch mit Recht, weil der Wiener ist ranzig. Es ist halt so, wie der Ludwig Hirsch immer gesagt hat: Punschkrapferltheater. Alles ein bisserl touristisch aufgebaut. Das Lied ist so ein Versuch wie bei "I Am From Austria", dass man ein Identitätslied hat. Ich bin gern Wiener, weil ich der typische Wiener bin: Meine Mutter ist sudetendeutscher Flüchtling, mein Vater ist aus Niederösterreich, Großvater und Urgroßvater kommen aus Serbien - getroffen hat man sich an der Donau. Wir sind ein Schmelztiegel. Wir hätten keinen Kaffee ohne Türken. Das "leiwand" kommt vom böhmischen Leinen, was die beste Stoffqualität damals war.

So ein Schmelztiegel sind auch die USA: Sie singen "Wer beschützt Amerika?". Muss man nun nicht eher die Welt vor Amerika beschützen?

Ich glaube, die Amerikaner müssen beschützt werden vor ihren Lobbys. Ich bin Amerika-Fan. Ich habe 15 Jahre lang ein Haus in Florida gehabt. Ich mag die Weltoffenheit, die Leute, meine Musik wurde geprägt von amerikanischen Musikern, ich schaue die Filme mit großartigen Schauspielern, es gibt wunderbare Dichter. Aber auf der anderen Seite habe ich Angst davor, wie leicht man durch Medien, und das ist dort viel stärker als bei uns, jemanden für dumm verkaufen kann. Dass ein Immobilienmogul, der keine politische Bildung hat, so weit kommen kann, ist eine Katastrophe. Es steht "on the razor's edge".

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Sie versuchen, mit "Imagine"-artigen Liedern wie "Nur Miteinander" aufzurütteln. Aber viele Menschen lassen sich lieber vom Heile-Welt-Schlager einlullen.

Jeder hat ein Recht auf seine Heile-Welt-Phantasie. Diese Texte erinnern mich an die Peter-Alexander-Filmzeit, wo alles nett war, wo man keusch sein und nichts mehr vom Krieg hören wollte. Aber es verwundert mich, dass ausgerechnet in der heutigen Zeit, in der es genug Anlass gäbe, sich wie in den Siebzigerjahren mit politischen, zeitkritischen Themen auseinanderzusetzen, eine Wegschaumentalität herrscht, dieses "Wir sind alle lustig, es ist alles super, holloderoh und Schinkenklopfen". Ich kann mich noch an die Friedensbewegung erinnern, da standen Konstantin Wecker und Georg Danzer vor 120 000 Menschen am Nürnberger Zeppelinfeld. Die politischen Lieder einer Joan Baez und eines Bob Dylan oder "He ain't heavy, he's my brother" von den Hollies über den Vietnam-Krieg - das waren Hits im Radio. Das heißt, die Jugend, hat diese Themen auch verlangt.

Rainhard Fendrich , Sa., 18. Feb., 20 Uhr, Olympiahalle

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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