Rachekampagne im Internet:Todesdrohung? Kein Problem!

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Am digitalen Pranger: Mit neuester Internet-Technologie werden in Kalifornien Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe denunziert.

Bernd Graff

Im amerikanischen Bundesstaat Kalifornien wurde am 4. November 2008 nicht nur über die künftige Präsidentschaft abgestimmt. Zur Disposition stand auch die Proposition 8, ein Volksbegehren, das die Änderung der Verfassung des Bundesstaats in einem Punkt anstrebte: Das Gesetz, gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen und staatlich anzuerkennen, sollte zurückgenommen werden. Das Begehren obsiegte. Eheschließungen sind in Kalifornien seit dem 5. November 2008 wieder nur noch unter getrenntgeschlechtlichen Partnern zulässig.

Name, Beruf, Spendensumme: Über eightmaps.com werden alle Daten offengelegt. (Foto: Foto: SZ)

Die sich über Monate hinziehenden Kampagnen für und wider dieses Begehren gehörten zu den unversöhnlichsten Kontroversen, die je in Kalifornien ausgetragen wurden - und zu den teuersten: An die 40 Millionen Dollar sammelten Schwulenehen-Befürworter und -Gegner bei ihren Unterstützern. Jeweils.

Nun hat, vielleicht aus Gram über die nicht verwundene Niederlage, die digitale Avantgarde der Ehen-Befürworter eine abgefeimte Rachekampagne im Internet in Gang gesetzt: Die Betreiber der Webseite eightmaps.com (www.eightmaps.com) haben die persönlichen Daten der Spender für das Schwulenehen-Verbot mit der Funktionalität von Google-Maps kombiniert. Besucher der Seite können damit nicht nur kalifornienweit bis auf Straßenschluchten-Niveau gezoomt sehen, wo jeder einzelne finanzielle Unterstützer des siegreichen Revisions-Vorhabens wohnt, sondern auch, wann er oder sie wie viel gegen die schwule Sache gespendet haben. Sollten die Spender auch noch angegeben haben, wer ihre Arbeitgeber sind, dann weiß auch das jetzt alle Welt. Öffentlich sind diese sensiblen Daten deshalb, weil ausgerechnet die kalifornische Verfassung vorschreibt, dass jedwede Spende transparent gemacht werden muss, um Korruption und Steuerbetrug zu begegnen.

Die Lokalisierbarkeit der Ehengegner und ihrer Arbeitgeber hat bereits dazu geführt, dass anonym Todesdrohungen und Briefe mit weißem Pulver an großzügige Spender verschickt wurden. Ein Professor der University of California, der - wie ihn die New York Times zitiert - gar nichts gegen Schwule hat, aber die Einrichtung der Ehe unangetastet lassen wollte, wurde öffentlich denunziert, indem anonyme Mails an Universitätskollegen geschickt wurden. Ein Angestellter erhielt Schmähschreiben, die ihm vorwarfen, "dem Hass gespendet" zu haben.

Nur Gutes

Denkbar wären auch Routenplaner für Hetzjagden, der Index verhasster Nachbarschaften oder kollektive Neighborhood-Verurteilungen, je nachdem, wo sich in Google-Maps die inkriminierenden Fähnchen zur Adressenmarkierung häufen. Denn selbst Menschen, die kleine Beträge, oft weniger als 50 Dollar, gespendet haben, sehen sich nun als Ziele von Beleidigung, Belästigung und öffentlicher Zurschaustellung.

Eightmaps ist nicht nur der gegenwärtig avancierteste digitale Pranger im Netz. Die Seite belegt auch, dass Informationen, die bona fide veröffentlicht werden, sich in alternativen Werte-Kontexten zu Waffen wandeln können, die sich gegen urdemokratische Rechte richten. Wer hätte gedacht, dass Gesetze für Transparenz und Korruptionsbekämpfung, unterlegt mit der Freiheit, seine Meinung zu äußern, das Recht auf Privatheit und Unversehrtheit der Wohnung torpedieren, ja unterminieren können, wenn ein paar Softwarepakete zusammengeschnürt werden.

Der Fall zeigt aber auch, wie schnell intelligente Softwareprogramme missbraucht werden können. Dass aus solchen feinmaschig einzusetzenden Applikationen Gefahren für Demokratie und Werte erwachsen können, hatte man bislang so nicht auf der Rechnung. Die Bedeutung beginnt man allenfalls zu ahnen. Es gibt mittlerweile viele tausend Anwendungen, deren Gefahrenpotenzial man gar nicht absehen kann. Google mag versprechen, dass es nur Gutes im Schilde führe. Was die User aber mit ihren immer neuen Programmen anstellen, entzieht sich ihrer Kontrolle.

Die Identität der Programmierer und Webseitenbetreiber, das zum Schluss, ist übrigens unbekannt. Sie ziehen die Anonymität vor.

© SZ vom 10.02.2009/holz/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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