Sie bitten um Verzicht: Die großen Münchner Publikumsverlage, so ergibt eine Nachfrage bei Random House, Hanser, Piper und Droemer Knaur, haben ebenso wie der überwiegend wissenschaftlich orientierte Verlag C. H. Beck in den vergangenen Wochen Tausende von Briefe an ihre Autoren verschickt. Seltsam, mag man zunächst denken: Müssen gerade die großen Verlage wirklich ihre eigenen, oft nicht gerade üppig verdienenden Autoren um Geld bitten? Doch so einfach ist die Antwort nicht. Schließlich wird, wie Random-House-Chef Frank Sambeth formuliert, durch das VG-Wort-Urteil "das seit Jahrzehnten bestehende solidarische Miteinander von Autoren und Verlagen massiv bedroht". Die Rückzahlungen seien "für viele kleinere Verlage potenziell existenzgefährdend, und auch größere Verlagsgruppen wie unsere wird das empfindlich treffen".
An die einstige Gründung der VG Wort als Solidargemeinschaft erinnert auch der Bonnier-Chef Christian Schumacher-Gebler für den Piper-Verlag, der zum Konzern gehört. "Der Nachdruck, mit dem die VG Wort Ansprüche gegenüber der Geräteindustrie geltend machen kann, gründet wesentlich auf ihrer Stärke als Vertreterin der gemeinsamen Interessen von Autoren und Verlagen. Von einer Schwächung dieser Position würde ausschließlich die Geräteindustrie profitieren." Auch der Droemer-Knaur-Chef Hans-Peter Übleis hält es für "ein Gebot der Solidarität, gemeinsam für den Erhalt der VG Wort zu kämpfen", die jahrzehntelang Autoren und Verlage gegenüber der Geräteindustrie vertreten habe.
Konkreter beschreibt Hanser-Chef Jo Lendle die Situation. Die Rückzahlungen des Verlags, so schreibt er, bewegten sich "in der Größenordnung von einer guten Dreiviertelmillion Euro"; die Belastungen träfen den Fachverlag Hanser dabei wegen der hälftigen Aufteilung der Erlöse stärker als die Literaturseite. Die Auswirkungen? "Ich plane nicht, deshalb Vorschüsse oder Honorare unserer Autoren und Übersetzer zu kürzen, wir werden aber an anderer Stelle Kosten einsparen müssen, auch durch Verzicht auf Buchprojekte o. ä."
Unterschiedlich bewerten die Verleger die bisherigen Korrekturen des Urhebervertragsrechts. Droemer-Chef Übleis hält es grundsätzlich für ein "zukunftsweisendes Gesetz", welches "hoffentlich europaweit Bestand haben wird". Auch Random House-Chef Sambeth ist positiv gestimmt, allerdings sei "auf EU- und auf nationaler Ebene noch viel zu tun". Hanser-Chef Lendle sieht die Lage kritischer: "Die Reform des Urhebervertragsrechts vom 15. Dezember erscheint mir in einer Zeit der ,alternative facts' als Hohn. Wir müssen die Rechte von Autoren und Verlagen stärken, statt sie aufzugeben. So sympathisch es auf den ersten Blick klingen mag, über Wissenschaftsliteratur und Bildungsmedien frei verfügen zu können - diese Errungenschaften wird es auch zukünftig nur geben, wenn Leistungen und Infrastruktur eine ökonomische Perspektive behalten."
Am Zuge sind, was die ökonomische Perspektive angeht, jetzt erst einmal die Autoren. Sie sind es, die sich bis Ende Februar solidarisch mit ihren Verlagen zeigen können - oder nicht. Ihre Entscheidung wird vermutlich nicht nur von grundsätzlichen Erwägungen geleitet sein, sondern auch davon, wie fair sie sich jeweils von den Menschen und Firmen behandelt fühlen, die aus ihren Texten Bücher machen: Wie sehr vertrauen die Autoren ihren Verlagen? Es bleibt ein heikles Thema.